Minimal invasive Alternative zur Endoprothese
Immer noch glauben viele Menschen, dass es sich bei Arthrose um eine Alterserkrankung handelt. Aber, wie der Kniespezialist Dr. Jürgen Toft von der Münchener Alpha-Klinik aus seiner täglichen Praxis weiß, sind immer mehr jüngere Menschen, manche kaum 30 Jahre alt, davon betroffen. Besonders sportlich Aktive leiden oftmals schon sehr frühzeitig unter diesen schmerzhaften Gelenkveränderungen, die ihnen ihre Lieblingsbeschäftigung zur Qual werden lassen, wenn nicht gar ganz unmöglich machen. ORTHOpress sprach mit Dr. Toft über moderne Behandlungsmethoden bei dieser Volkskrankheit.
Herr Dr. Toft, was bedeutete früher die Diagnose Arthrose für Sportler?
Früher mussten sie über kurz oder lang ihre sportlichen Aktivitäten einstellen. Mit fortschreitender Gelenkzerstörung konnten immer weniger Bewegungen ausgeführt werden und nach jahrelangem schmerzhaften Leiden stand dann meist der künstliche Gelenkersatz an, der zwar in der Regel Schmerzfreiheit brachte, aber Fußball und Tennis spielen oder gar Ski laufen nicht mehr erlaubt.
Warum ist eine Arthrose so schmerzhaft?
Egal welche Ursache im einzelnen zu Grunde liegt, ob nun – wie es am Knie ja häufig der Fall ist – Fehlstellungen in Form von X- oder O-Beinen vorliegen, immer kommt es zu einem Abrieb kleinster Knorpelstückchen aus der normalerweise völlig glatten Oberfläche. Diese wirken wie der berüchtigte „Sand im Getriebe“. Sie fördern nicht nur das Ausbrechen weiterer Knorpelstückchen, sondern sie verursachen und unterhalten auch eine begleitende Entzündung. Es ist ein Teufelskreis entstanden, aus dem es ohne Hilfe von außen kein Entrinnen mehr gibt. Die in diesem Stadium der Erkrankung üblicherweise durchgeführte Gelenkspiegelung, bei der das Gelenk von allen Verunreinigungen gesäubert wird, bringt für die meisten Patienten – allerdings meist nur vorübergehend – eine Schmerzentlastung. Die zerstörerischen Kräfte werden für eine gewisse Zeit ausgeschaltet, aber an der Erkrankung an sich wird dadurch nichts geändert. Oft schon nach kurzer Zeit fängt der Abrieb wieder an, die Schmerzen treten wieder auf, solange bis der ganze Knorpel abgebaut ist.
Und es gibt nichts, das diesen verhängnisvollen Kreislauf unterbrechen kann? Schwebt die Gefahr eines künstlichen Gelenkersatzes über jedem Arthrose-Knie?
Zum Glück nicht. Bei der Behandlungsmethode, die wir bei Knie-Arthrose anwenden, handelt es sich um eine innovative medizinische Neuerung, die ursprünglich aus den USA stammt. Mit dieser völlig anderen Therapie gelingt es uns, Knorpelgewebe zum Nachwachsen anzuregen. Dies ist eine Tatsache, die wir seit über zwanzig Jahren immer wieder gesehen haben, auch wenn sie von manchen meiner Kollegen immer noch geleugnet wird. Bei dem nachwachsenden Knorpel handelt es sich zwar nicht um völlig identischen hyalinen Knorpel. Aber der Faserknorpel, der bei der so genannten Abrasion entsteht, ist funktionell als vollwertig anzusprechen und annähernd so belastbar wie originärer Knorpel.
Wie erfolgt die von Ihnen angewandte Methode?
Auch hier wird bei einer Gelenkspiegelung, einer so genannten Arthroskopie, erst einmal eine gründliche Bestandsaufnahme der Veränderungen im Gelenk gemacht. Das Gelenk wird auch – ganz wie bei einem konventionellen Eingriff – von allen Partikeln, die in der Gelenkflüssigkeit herum schwimmen, gereinigt. Dann allerdings wird der freiliegende Knochen ganz vorsichtig abgeschliffen und gleichzeitig angerauht bis die darunterliegende gesunde Knochenschicht anfängt, leicht zu bluten. Die austretende Blutmenge ist so gering, dass sie nicht wegfließt, sondern an Ort und Stelle liegen bleibt und als eine Art Plombe die Rauhigkeiten an der Knorpeloberfläche ausfüllt. Innerhalb der nächsten zwei bis drei Monate wandelt sich der Blutkuchen in Faserknorpel um und ist später kaum vom ursprünglichen Knorpel zu unterscheiden.
Dann sind die Patienten mit diesem Eingriff also geheilt?
Voraussetzung ist, dass auslösende Ursachen, wie z.B. Achsfehlstellungen auch korrigiert worden sind. Es nutzt ja nichts, die Knorpeloberfläche wieder herzustellen, wenn weiterhin falsche Belastungen auf das Gelenk einwirken. Typische Korrekturen, die vorgenommen werden müssen, sind die Behebung von X- und O-Beinen oder die Behandlung von Meniskusschäden. Dies kann in der Regel gleichzeitig mit der Abrasion erfolgen.
Ein weiteres müssen die Patienten vor einem solchen Eingriff wissen. Da die Bildung des Faserknorpels eine gewisse Zeit dauert, ist für diese Wochen eine aktive Mitarbeit der Patienten unumgänglich. Für jeden unserer Patienten entwickeln wir daher einen individuellen Nachbehandlungsplan, der gewissenhaft erfüllt werden sollte. Dazu gehört, dass das Gehen in dieser Zeit nur mit zwei Krücken erlaubt ist, damit jede Belastung der frischen Wunde entfällt. Genauso wie sich ein frisch mit Teer aufgefülltes Schlagloch verformt, wenn man zu früh mit dem Auto darüber fährt, genauso darf ein Knie nicht zu früh belastet werden, damit die Blutplombe nicht aus dem „Schlagloch“ herausrutscht. Das bedeutet aber auch, dass je nach beruflicher Belastung, u.U. für die gesamte „Krückenzeit“ eine Krankschreibung erfolgen muss. Sitzende berufliche Tätigkeiten, die ohne Belastung der Knie einhergehen, sind allerdings in der Regel nach ca. zwei bis drei Wochen erlaubt.
Warum wird diese Therapie in Deutschland nur so selten angeboten?
Diese Technik erfordert verständlicher Weise eine gründliche, d.h. zeitaufwendige, Ausbildung der Operateure, die man nicht mal so eben nebenbei erreichen kann. Zudem erfordert sie sehr viel Erfahrung und Fingerspitzengefühl, damit genau die erforderliche Frästiefe erreicht wird und die Bedingungen für die Ersatzknorpelbildung optimal sind.
Wie würden Sie die Vorteile der Abrasion-Operation zusammenfassen?
Mit Hilfe dieses Verfahrens erhält der Patient sozusagen eine „Bioprothese“, also einen neuen Gelenkknorpel, der sich kaum vom Original unterscheidet, den der Körper aber – im Gegensatz zur künstlichen Endoprothese – selber gebildet hat. Vorteil ist die annähernd normale Belastbarkeit. Nach einem speziellen Aufbautraining können sich die Patienten wieder bewegen wie früher und Sport treiben wie mit vollkommen gesunden Knien. Im Vergleich zur Versorgung mit einer Endoprothese bedeutet dies natürlich einen erheblichen Gewinn an Lebensqualität, besonders für jüngere Menschen, aber nicht nur für sie. Das Wachsen der „Bioprothese“ ist an kein Lebensalter gebunden. Die Kosten für die Abrasions-Operation werden von den Privaten Krankenkassen in der Regel, von den Gesetzlichen Krankenkassen u.U. nach Einzelfallprüfung übernommen.
Herr Dr. Toft, herzlichen Dank für das Gespräch.
aus ORTHOpress 04|2002
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