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Krankheitsbilder

Augmented Reality in der Wirbelsäulenchirurgie

Augmented Reality

High-Tech am Helios Klinikum Berlin-Buch

Miniaturisierte Instrumente, OP-Mikroskope und kleinere Zugänge sorgen seit Jahren dafür, dass die Belastung der Patienten durch Operationen immer weiter abnimmt. Dreidimensionale Computerplanungen und und Navigationssysteme unterstützen den Operateur bei der Arbeit. Doch das war nur der Anfang: Das Helios Klinikum Berlin-Buch gehört jetzt zu den ersten Kliniken in Deutschland, welche die sogenannte Augmented Reality (AR) im OP-Saal einsetzen.

Die Chefärztin Prof. Dr. Yu-Mi Ryang erläutert, warum das einen riesigen Schritt nach vorn bedeutet.

Frau Prof. Ryang, Navigation in der Chirurgie gibt es ja schon seit einiger Zeit. Was ist jetzt das Neue an Augmented Reality?

Prof. Ryang: Die Navigation an der Wirbelsäule nutze ich schon sein über 10 Jahren standardmäßig. Während meiner Zeit als Oberärztin an der Neurochirurgie der TU München habe ich maßgeblich dazu beigetragen, dass sich die spinale Navigation in vielen Häusern in Deutschland auch bei Helios als Standard durchgesetzt hat. Hier werden Daten aus Kameras oder Sensoren in Echtzeit mit einem 3D-Datensatz der Wirbelsäule, der entweder vor der OP oder in der OP erstellt wird, abgeglichen und ermöglichen eine genaue Lokalisierung und Ausrichtung der navigierten Instrumente oder auch eines Im- plantats während des Eingriffs. Die Hauptaufgabe der Navigationssysteme ist also das Abgleichen der Position des Instruments oder des Implantats im Verhältnis zum anatomischen Zielort. Die Augmented Reality dagegen ist eine Technologie, welche digitale Informationen oder virtuelle Objekte in die reale Umgebung des Operateurs einfügt. Damit erweitert sie unsere Wahrnehmung, indem sie – ebenfalls in Echtzeit – visuelle Informationen auf einem Bildschirm, einer speziellen Brille oder auch z.B. einem Tablet darstellt. Wir benutzen solche Systeme, um während des Eingriffs zusätzliche Informationen anzu- zeigen, wie beispielsweise 3D-Modelle von anatomischen Strukturen, virtuelle kömmliche Vorgehensweise erfordert von den Chirurgen ein sehr hohes Maß an räumlicher Vorstellungskraft und auch Abstraktionsvermögen. Die AR versetzt uns in die Lage, die nötigen Schritte quasi intuitiv vorzunehmen. Auch die Zugänge selbst können so viel exakter gestaltet werden. Ein weiterer Vorteil ist die geringere Strahlenbelastung, da ja bei der AR nicht ständig Kontrollaufnahmen mittels C-Bogen oder CT gemacht werden müssen.

Wie hilft Ihnen als Neurochirurgin diese Technik konkret?

Prof. Ryang: Wir setzen die AR aktuell v.a. bei perkutanen minimalinvasiven stabilisierenden Operationen der Wirbelsäule ein, z.b. bei Tumoren, aber auch bei Verschleißerscheinungen, sog. degenerativen Wirbelsäulenerkrankungen oder aber auch bei Wirbelsäulenverletzungen ein: Also immer dann, wenn die Wirbelsäule mittels eines sog. Schrauben-Stab-Systems über eine längere Strecke stabilisiert werden muss. Dabei werden sogenannte Pedikelschrauben in die Wirbelkörper einge Markierungen oder auch bestimmte Orientierungshinweise.

„In einer kürzlich durchgeführten internen Studie konnten wir zeigen, dass die Einstellung der idealen Krümmungsradien der Schrauben-Stabsysteme bei der Operation schwerer Wirbelsäulendeformitäten ohne Augmented Reality auch versierten Chirurgen nicht immer gelang“, berichtet Prof. Ryang. „Mithilfe der AR waren praktisch alle Chirurgen problemlos in der Lage, ein perfektes Ergebnis zu erzielen.“

Prof. Ryang

Das zuvor aus den Daten der Bildgebung wie z.B. CT oder MRT errechnete Abbild z.B. eines Tumors ist als dreidimensionale Überlagerung auf der Wirbelsäule zu sehen, ohne dass wir vorher einen Opera- tionszugang schaffen müssen. Die herbracht, die dann mit Stäben untereinander verbunden werden. Gerade bei schweren Verkrümmungen der Wirbelsäule kann es äußert schwierig sein, die Längsträger genau so zu biegen, dass sie perfekt in die eingebrachten Schrauben passen.

Typischerweise wird die notwendige Länge und Krümmung der Längsträger während des Eingriffs nach Augenmaß ermittelt und entsprechend angepasst. Dieser Vorgang ist jedoch relativ zeitaufwendig und erfordert ein großes Maß an Erfahrung von Seiten des Operateurs. Wenn dann bei einem minimalinvasiven Eingriff auch noch der ungehinderte Blick auf die knöcherne Wirbelsäule fehlt, kann es sehr schwierig werden. Mithilfe der Augmented Reality können wir jetzt Position und Krümmung der Stäbe während der laufenden Operation innerhalb weniger Minuten ermitteln und diese entsprechend vorbereiten. Dadurch wird die Dauer der Operation verkürzt und gleichzeitig die Sicherheit des Eingriffs erhöht, weil durch die Einspielung virtueller Informationen auf das reale Operationsfeld z.B. wichtige anatomische Referenzpunkte wie beispielsweise Wirbelkörper oder Nervenbahnen ständig präsent sind.

Augmented Reality – vom Abendhimmel zur Rücken-OP

Augmented Reality, zu deutsch „Unterstützte Realität“ – was bedeutet das eigentlich? Zu den ersten frei verfügbaren Anwendungen der Technik gehörte vor einigen Jahren eine Handy-App für Hobby-Astronomen. Auf den Horizont gerichtet zeigte der Bildschirm entsprechend der Lage des Mobiltelefons nicht nur das Kamerabild des Nachthimmels, sondern in einer Überlagerung auch die Himmelskörper und Sternbilder, und zwar in ihrer korrekten Position samt erklärender Beschriftung – egal ob das Leuchten des jeweiligen Sterns hinter einer dichten Wolkendecke verborgen war oder nicht.

Mit zunehmender Rechenleistung späterer Handy-Generationen wuchs der Funktionsumfang immer weiter: Neuere Versionen der Software zeigen selbst im All treibenden Weltraumschrott zuverlässig an. „Im OP funktioniert das ganz ähnlich“, sagt Prof. Yu-Mi Ryang, Chefärztin der Klinik für Neurochirurgie und des Zentrums für Wirbelsäulentherapie am Helios Klinikum Berlin- Buch. „Richte ich das Tablet auf den Rücken des Patienten, so zeigt es mir die exakte Lage einer Zyste, eines Tumors oder auch den Krümmungsverlauf der Wirbelsäule, und zwar ohne dass ich zuvor einen einzigen Schnitt setzen muss.“

Der Vorteil liegt auf der Hand, denn so kann zum Beispiel der Zugang sehr viel präziser gewählt werden. Prof. Ryang: „Auch Ver- änderungen der Lagerung während des Eingriffs stellen kein Problem mehr dar – die Orientierung des Operateurs ist jederzeit gewährleistet.“

Inzwischen konnten mehrere Studien zeigen, dass die AR-unterstützte Operation deutliche Vorteile bietet, denn auch sehr geübte Operateure können bei „händischer“ Vorgehensweise kaum die gleiche Genauigkeit erreichen. Dazu kommt durch die kürzere Operationsdauer ein geringerer Blutverlust sowie ein geringeres Risiko der Auslockerung durch Abweichungen von der Idealposition der gesetzten Schrauben. Die Augmented Reality ist hier ein riesiger Fortschritt, denn sie ermöglicht uns, die nahezu perfekte Stabbiegung vorzunehmen. Mit Hilfe eines handelsüblichen Tablets können wir mit der eingespielten Software die genaue Lage der eingebrachten Schrauben bestimmen, indem diese von der Tabletkamera erfasst und mit virtuellen Schrauben in Einklang gebracht werden. Das ist dann Augmented Reality, weil wir eine Überlagerung der echten einliegenden mit den virtuellen Schrauben angezeigt bekommen.

Innerhalb kurzer Zeit ist die Software dann in der Lage, uns die korrekte Länge und Biegung des Stabes virtuell auf dem Tablet anzuzeigen. Dies spart enorm viel Zeit und Energie. Durch die optimale Biegung des Stabes erhoffen wir uns, dass es zu weniger intraoperativen, aber vor allem auch postoperativen Komplikationen im Langzeitverlauf kommt, wie z.B. einem Stabbruch, einer Stablockerung oder einem anderen Materialversagen, was durch eine nicht optimale Stabbiegung verursacht sein kann.

Frau Prof. Ryang, haben Sie herzlichen Dank für das Gespräch!

Helios Klinikum Berlin-Buch
Schwanebecker Chaussee 50
13125 Berlin

Tel.: 030/9401-54300
Yu-Mi.Ryang@helios-gesundheit.de
www.helios-gesundheit.de/berlin-buch

Prof.-Dr.-Yu-Mi-Ryang
Prof. Dr. med. Yu-Mi Ryang Chefärztin Neurochirurgie