Kleinster Zugang, geringster Blutverlust
Der Ersatz verschlissener Hüftgelenke wird oft als eine der erfolgreichsten chirurgischen Interventionen der letzten 100 Jahre betrachtet. Beinahe jeder von uns kennt jemanden mit einer „neuen Hüfte“. Weniger bekannt ist, dass sich auch heute noch viele Patienten nur langsam von diesem umfangreichen Eingriff erholen und oft lange unter den Nachwirkungen zu leiden haben. Mit dem Einsatz der AMIS-Technik hat sich das jedoch grundlegend geändert – zumindest am St. Vincenz-Hospital in Datteln, wo Chefarzt Dr. Marco Sträter diese inzwischen routinemäßig anwendet. Durch die Nutzung einer natürlichen Lücke zwischen den Muskeln ermöglicht sie eine deutlich schonendere Operation, wodurch Patienten schneller rehabilitiert werden können.
Herr Dr. Sträter, viele Patienten haben auch trotz neuer Hüfte anhaltende Beschwerden. Was ist der Grund dafür?
Dr. Sträter: Bei der seit Jahrzehnten angewendeten traditionellen Operationsmethode erfolgt der Zugang durch einen großen Schnitt im hinteren Gesäßbereich. Dieser Vorgang führt leider zu umfangreichen Gewebeschäden. Bestimmte Bereiche der Oberschenkelmuskulatur müssen durchschnitten werden und die Fascia lata, eine wichtige Sehnenplatte, welche die Muskeln an der Außenseite des Oberschenkels zusammenhält, wird teilweise abgelöst. Die Genesung von diesen Schäden gestaltet sich für viele Patienten schwierig und langwierig. Oft kommt es zu zusätzlichen Beschwerden wie Schleimbeutelentzündungen am großen Rollhügel, der höchsten Erhebung außen an der Hüfte. Das größte Problem stellt jedoch der rund 50-prozentige Verlust an Muskelkraft und -koordination in dem betroffenen Bein dar.
Kleinere Operationszugänge zum Hüftgelenk gibt es jedoch schon seit Jahren. Warum hat sich keines dieser Verfahren durchgesetzt?
Dr. Sträter: Einige der sogenannten minimalinvasiven Verfahren erfordern zwar nur eine kleine Schnittführung, können aber dennoch Nerven und Muskeln beschädigen, sodass ihr Vorteil lediglich in einem kosmetischen Nutzen durch die geringere Narbenbildung liegt. Andere Methoden benötigen mehrere Schnitte, was den Eingriff komplexer und zeitaufwendiger gestaltet. Das AMIS-Verfahren hingegen ist aufgrund seiner einzigartigen Kombination aus Sicherheit und Flexibilität für fast alle Patienten geeignet.
Wie funktioniert die AMIS-Technik in der Praxis?
Dr. Sträter: Bei der AMIS-Methode wird der chirurgische Zugang von schräg vorne gewählt. Statt Nerven, Muskeln oder Sehnen zu durchtrennen, werden diese nur beiseite gehalten. Diese Technik verbessert die Sicht auf Hüftpfanne und Hüftkopf erheblich und bietet ausreichend Raum, um praktisch alle am Markt verfügbaren Implantate einzusetzen. Dies ermöglicht die Auswahl des optimalen Endoprothesenmodells für die Patientenversorgung. Nach der Prothesenplatzierung schließen sich die beiseite gehaltenen Muskeln wieder und nur der Hautschnitt von etwa 8 – 10 cm Länge muss vernäht werden.
Wie groß sind die Vorteile über die kleine Narbe hinaus?
Dr. Sträter: Da bei der AMIS-Methode das Gewebe kaum verletzt wird, ist der Blutverlust minimal, durchschnittlich etwa 0,25 Liter, wodurch die früher gängige Praxis der Eigenblutspende vor der Operation obsolet geworden ist. Die AMIS-Methode wird daher auch von Menschen bevorzugt, die Bluttransfusionen aus religiösen oder ethischen Gründen ablehnen, wie etwa den Zeugen Jehovas. Ein geringer Blutverlust bringt aber auch bedeutende medizinische Vorteile mit sich. Zudem ist bei der AMIS-Technik auch das Risiko einer Hüftluxation viel geringer als beim Zugang von hinten. Die Patienten haben nach der Operation deutlich weniger Schmerzen und benötigen weniger Schmerzmittel. Entzündungen der Schleimbeutel an der Hüfte sind nahezu ausgeschlossen, und auch die Beeinträchtigung motorischer Nerven, die bei anderen Hüftoperationen bis zu einem Drittel der Fälle betrifft, ist selten. Dies verhindert die sogenannte „fettige Degeneration“ der Muskulatur, die sonst manchmal dauerhaft geschwächt bleibt und nicht mehr vollständig regeneriert.
Wie schnell sind die Patienten nach einer AMIS-Operation wieder fit, wann können sie wieder Sport treiben?
Dr. Sträter: Der wesentliche Vorteil der AMIS-Methode im Vergleich zu traditionellen chirurgischen Techniken ist die schnelle Rekonvaleszenz. Bereits wenige Stunden nach dem Eingriff sind die Patienten in der Lage, aufzustehen und mit Unterarmgehstützen zu laufen. Diese sind aber hauptsächlich „für den Kopf“ gedacht und dienen so der Sicherheit. Benötigt werden sie eigentlich nicht, da ja praktisch kein Kraftverlust im operierten Bein auftritt. Innerhalb von zwei Tagen können unsere Patienten bereits ohne Hilfe gehen; sportliche Aktivitäten sind oft schon nach drei Wochen mit gewissen Einschränkungen möglich. Der Unterschied zu herkömmlich operierten Patienten ist beeindruckend: Bei der Nachuntersuchung nach einigen Wochen ist es auf den ersten Blick manchmal auch für mich schwer zu erkennen, welche Seite operiert wurde.
Eine Besonderheit ist die Möglichkeit, beide Hüftgelenke in einer OP-Sitzung zu tauschen. Ist dies empfehlenswert?
Dr. Sträter: Bei vielen Fällen von Hüftarthrose ist absehbar, dass in Kürze auch das zweite Gelenk ersetzt werden muss. Die AMIS-Methode ermöglicht es, in einer einzigen etwas längeren Operation beide Hüftgelenke zu ersetzen. Dies erspart dem Patienten eine zweite Operation und die damit verbundene Belastung einer erneuten Narkose einige Monate später. Studien haben gezeigt, dass das Risiko bei einem solchen Doppeleingriff nur unwesentlich höher ist als bei einem einzelnen und deutlich geringer im Vergleich zu zwei separaten Operationen. Dennoch führen wir den Eingriff an der zweiten Hüfte natürlich nur durch, wenn dieser medizinisch notwendig oder bereits geplant ist, und niemals nur aufgrund einer Vermutung.
VOLLE KRAFT VORAUS!
Der Erfolg der AMIS-Methode beruht wesentlich auf dem Erhalt der Hüftmuskulatur, die für das Abspreizen des Beins zuständig ist: Muskeln und Sehnen bleiben unversehrt, was die volle Kraft im operierten Bein erhält. Da keine Nerven das Operationsfeld kreuzen, ist das Risiko von Nervenschädigungen und daraus resultierenden Lähmungen stark reduziert. Die Patienten können sich schon kurz nach dem Eingriff fast wie gewohnt bewegen, allerdings ohne die vorherigen Schmerzen und mit verbesserter Gelenkfunktion. Zudem ist das Risiko einer Luxation, also des Herausspringens des Gelenks, erheblich niedriger als bei konventionellen Hüftoperationen.
St. Vincenz-Krankenhaus
Chefarzt der Klinik für Orthopädie und Unfallchirurgie
Dr. med. Marco Sträter
Rottstr. 11 . 45711 Datteln
Tel.: 02363 / 108-20 31
ortho-unfall@vincenz-datteln.de
www.vincenz-datteln.de
AMIS-Referenzarzt Dr. Marco Sträter