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Zahnmedizin

„Nicht länger auf dem Zahnfleisch gehen …“

Modernes High-Tech-Konzept zur Behandlung der Parodontitis

Frau Dr. Rasche, ein Drittel der Gesamtbevölkerung ist von Parodontitis betroffen, was sind die Ursachen?

Anders, als vielfach angenommen wird, handelt es sich nicht um eine anlagebedingte, sondern vielmehr eine infektiöse Erkrankung, die also vom Prinzip her vermeidbar wäre. Hervorgerufen bzw. begünstigt wird sie vor allem durch eine mangelhafte Mundhygiene im Zusammenhang mit der zivilisationsbedingten Ernährung, insbesondere durch daraus resultierende Mangelerscheinungen. Vitamin C etwa ist essenziell für die Gesundheit des Zahnfleischs; insofern zählt Rauchen zu den größten Risikofaktoren, denn bei Rauchern ist ja bekanntlich der Vitamin-C-Gehalt im Blut um 40% herabgesetzt. 

Nun gibt es ja eine Reihe von Produkten der Zahnpflegeindustrie, die zur Anwendung bei Parodontitis gedacht sind.

Diese Produkte wirken allenfalls desinfizierend; die Infektion selbst wie auch ihre Folgen, fortschreitender Zahnfleischschwund und auch Verlust an Knochensubstanz, werden dadurch nicht angegangen. – Dazu muss man wissen: Bei einer akuten Parodontitis hat man sozusagen als Summe eine Wundfläche in der Mundhöhle, welche die Größe eines Handtellers erreichen kann. Von hier aus gelangen Bakterien bzw. Keime und die von ihnen produzierten Toxine in den Blutkreislauf und können schwerwiegende Allgemeinerkrankungen auslösen. Nach neuesten Erkenntnissen erhöht sich bei Parodontitis das Herzinfarktrisiko, aber auch das Risiko für Diabetes mellitus oder eine Frühgeburt z.B. bis um das Siebenfache.

Gibt es Möglichkeiten, vor Eintreten einer Infektion herauszufinden, ob man zu den Betroffenen zählt?

Ja, wir eruieren das persönliche Risikoprofil des Patienten anhand der bakteriellen Beläge und einer Keimanalyse in der Mundhöhle. Zur diagnostischen Bestimmung des Erkrankungsgrades bei vorliegender Parodontitis wird dann u.a. das jeweilige Ausmaß des Knochenabbaus durch die Zahnfleischuntersuchung mit Hilfe einer Sonde bestimmt und ggf. mittels Röntgen überprüft. 

Wie wird die Infektion behandelt?

Grundsätzlich richtet sich die Parodontitis-Therapie nach dem jeweiligen Stadium der Erkrankung. Dazu stehen uns eine Reihe von verschiedenen Behandlungstechniken zur Verfügung, die es insgesamt ermöglichen, sämtliche Stadien therapeutisch zu beherrschen. Das technologisch hohe Niveau dieser Verfahren erlaubt dabei in allen Fällen ein äußerst patientenschonendes Vorgehen, d.h. eine maximal atraumatische und schmerzfreie Behandlung.

Basis einer jeden Behandlungsform ist zum einen die Entfernung der Beläge oberhalb des Zahnfleischs, zum andern die Substitutionstherapie mittels der orthomolekularen Medizin, um die Risiko- bzw. die infektionsauslösenden und -unterhaltenden Faktoren unmittelbar zu beeinflussen. Nach individueller Austestung des Patienten werden dann entsprechend Vitamin C, Antioxidantien, Betacarotin, Coenzym Co 10, Folsäure usf. verabreicht.

Mittels einer innovativen, aus den USA stammenden Ultraschalltechnik sind wir in der Lage, auf besonders schonende Weise die Keime bis in der Tiefe der Zahnfleischtaschen auszuspülen, erkranktes Gewebe schmerzfrei zu entfernen und derart die Zahnfleischtaschen zu verkleinern. Im fortgeschritteneren Stadium ist häufig auch eine begleitende Antibiotika-Therapie vorgesehen.

Wenn nun aber der Knochen durch eine fortgeschrittenere Entzündung bereits an Substanz verloren hat?

Je nach Ausmaß stehen uns hierbei vor allem zwei Techniken zur Verfügung. In frühen und mittleren Phasen des Zahnfleisch- und Knochenschwundes bringen wir unter einem hoch auflösenden OP-Mikroskop Knochen-bildende Substanzen, spezielle Wachstumsfaktoren in Gelform, in die betroffenen Zahnfleischtaschen ein und verschließen diese dann mit haarfeinen Nähten. – Bei großen Knochenverlusten bedienen wir uns eines ebenfalls aus den USA stammenden, neuartigen mikrochirurgischen Verfahrens, der sog. GTR, Guided Tissue Regeneration, also der gesteuerten Geweberegeneration. Diese Membrantechnik zur biologischen Anregung der Knochenbildung erlaubt uns sogar die Behandlung bereits gelockerter Zähne: Hierzu werden dünne Membranen, eine Art synthetische Tücher, die vom Körper später selbstständig abgebaut werden, im Bereich der Knochentaschen aufgelegt. Sie fungieren als Barrieren gegen das nach der Säuberung einsprossende Bindegewebe, so dass der Knochen in einem Zeitraum von etwa 8 Wochen die Möglichkeit hat nachzuwachsen. Dadurch erhalten die Wurzeln neue Stabilität, die Zähne werden wieder fest. 

Was gilt es nach der Behandlung zu beachten?

Wir können zwar mit Hilfe der genannten Verfahren sämtliche Formen von entzündlichen Zahnfleischerkrankungen ausheilen. Doch um eine neuerliche Keimbildung auszuschließen, ist auch die Eigenverantwortung der Patienten gefordert. Je nach Stärke der Infektion sollte sich der Parodontitis-Patient alle drei bis spätestens sechs Monate in Kontrollbehandlung begeben. Eine lückenlose Nachsorge vorausgesetzt, welche eine regelmäßige professionelle Zahnreinigung sowie die genannte Substitutionstherapie zum Aufbau einer gesunden Mundflora umfasst, haben die Patienten sehr hohe Erfolgsaussichten auf eine dauerhafte Heilung. Auch kommt diesen Maßnahmen im Rahmen der Prophylaxe eine große Bedeutung zu.

Frau Dr. Rasche, haben Sie vielen Dank für das Gespräch!

ORTHOpress 4 | 2000
Archivbeiträge spiegeln den Stand zur Zeit der Erstveröffentlichung wieder. Die aktuelle Einschätzung des Sachverhalts kann durch Erfahrungszuwachs, allgemeinen Fortschritt und zwischenzeitlich gewonnene Erkenntnisse abweichen.