Davor hat jeder Sportler Angst: unkontrollierbare Drehstürze, wie sie vor allem beim Ski fahren, Fußball, Tennis spielen und Inline-Skaten auftreten können mit den Folgen Kreuzbandriss und Meniskusverletzung. Vorstellungen von riesigen Operationsnarben auf dem Knie, monatelangem Gehen auf Krücken und dem Ende der sportlichen Karriere quälen den Knieverletzten. Orthopress sprach mit den Kniespezialisten Dr. Jürgen Toft, Leiter und Gründer der Münchner Alpha-Klinik, und seiner Kollegin Dr. Heike Tepe, stellvertretende Leiterin der Kniechirurgie in der Alpha-Klinik, über den neuesten Stand der Operationstechniken bei Kreuzbandrissen und Meniskusverletzungen – zusammen haben die beiden Kniechirurgen mehr als 27000 Knieoperationen durchgeführt.
Frau Dr. Tepe, das Kreuzband ist gerissen. Was bedeutet das für den Patienten?
Das Kniegelenk wird von einer Gelenkkapsel und von Bändern zusammengehalten, dabei sorgt das vordere Kreuzband für die Stabilität nach vorne und das hintere Kreuzband übernimmt die Stabilität nach hinten. Bei Sportunfällen reißt meist das vordere Kreuzband. Es kommt dann zur Instabilität des Knies mit dem sog. Schubladenphänomen, also einer Verschiebebewegung des Schienbeins gegen den Oberschenkel.
Muss nun operiert werden, Herr Dr. Toft?
Ja, auf alle Fälle. Früher wurden Kreuzbandrisse nur bei Patienten bis zu 40 Jahren operiert. Heute gibt es keine Altersgrenze mehr, denn der Versuch, die Instabilität des Knies durch Muskeltraining zu kompensieren, führt leider zu keiner zuverlässigen Kontrolle des Kniegelenks. Es kommt immer wieder zu Ausrastern – mit ähnlicher Wirkung wie bei einem Hobel, der über Holz fährt. Dabei werden auf Dauer alle Teile des Gelenks schwer geschädigt. Nach fünf Jahren beginnt die Arthrose, auch bei dem Patient, der mit dem gerissenen Band keinen Sport mehr treibt.
Das muss doch weh tun, mit gerissenem Kreuzband herumzuspazieren.
Unmittelbar nach der Verletzung haben die meisten Patienten auch starke Schmerzen und können nicht mehr gehen, besonders wenn das Knie dick wird. Nach einiger Zeit lassen die Schmerzen aber meist nach und die Patienten können wieder schmerzfrei gehen. In diesem Fall ist es natürlich schwer, die Leute zu überzeugen, dass sie das gerissene Kreuzband operieren lassen müssen, weil es sonst zu den gefährlichen Ausraster- Erscheinungen kommt.
Frau Dr. Tepe, wie wird ein gerissenes Kreuzband heutzutage operiert?
Wir operieren rund sechs Wochen nach dem Unfall. Dann ist das verletzte Knie nicht mehr geschwollen und neigt nicht mehr zum Verkleben, was bei den Operationen gleich nach dem Unfall der Fall ist. Die Operation wird minimalinvasiv durchgeführt, so wie es mein Kollege Dr. Toft bereits vor über 18 Jahren in die Kniechirurgie eingeführt hat. Man nennt dies eine arthroskopische vordere Kreuzbandplastik.
Wenn sie von Kreuzbandplastik sprechen, heißt das, dass die Stümpfe des gerissenen Bandes nicht mehr zusammengenäht werden, Dr. Toft?
Richtig. Wenn das Kreuzband reißt, dann reißt es wie ein Gummiband. Die beiden Stümpfe nähen wir heutzutage nicht mehr zusammen, denn die Narbe wird hart und damit verfügt das geflickte Band über zu wenig Elastizität. Zu viel besseren Ergebnissen führen Kreuzbandplastiken mit körpereigenem Ersatzmaterial. Dabei gibt es je nach Einzelfall verschiedene Methoden. Einmal kann man die körpereigene Patellarsehne verwenden. Sie wird fixiert mit so genannten bioresorbierbaren Schrauben, die sich innerhalb von 36 Wochen im Körper selbst auflösen und nicht mehr in einer zweiten Operation herausgeholt werden müssen. Allerdings ist bei vielen Patienten die Patellarsehne, die etwa doppelt so steif wie das natürliche Kreuzband ist, schon für vorherige Kreuzbandoperationen vergeben.
Eine weitere Möglichkeit ist der Kreuzbandersatz mit der Semitendinosus-Sehne, also einem Sehnenstück aus der Oberschenkelrückseite. Diese Sehne ist genauso elastisch wie das natürliche vordere Kreuzband und kann viel eleganter herausgeholt werden als die Patellarsehne. In seltenen Fällen verwenden wir auch Spendersehnen aus dem Transplantationszentrum.
Wie lange muss der Kreuzband-Patient in der Klinik bleiben und wie lange dauert die Entlastungszeit, Frau Dr. Tepe?
Die arthroskopische Kreuzbandoperation wird ambulant durchgeführt – die zwei kleinen Schnitte werden geklebt und nicht wie früher genäht. Außerdem wird auch nicht mehr eingegipst. Bald nach der Operation beginnt schon die Rehabilitation durch fachkundige Therapeuten. Nach rund zwölf Tagen kann der Kreuzbandoperierte wieder Bürotätigkeiten nachgehen. Ab der dritten Woche darf er in der Ebene Rad fahren. Allerdings sollten in den ersten sechs Wochen beim Gehen Krücken benutzt werden. Nach ungefähr sechs Monaten ist das Knie wieder zu 100 Prozent einsatzfähig, das heißt, dass die Tiefensensibilität der Rezeptoren im neuen Kreuzband neu ausgebildet ist: Der Patient muss nicht mehr für sein Knie „mitdenken“, er kann sich wieder voll aufs Knie verlassen.
Herr Dr. Toft, ein Kreuzbandriss bedeutet also nicht das Ende sportlicher Betätigung. Wie sieht es bei Meniskusverletzungen aus?
Grundsätzlich gilt: Je früher die Meniskusverletzung erkannt und operiert wird, desto größer ist die Chance auf eine völlige Heilung.
Welche Funktion übernehmen die Menisken im Knie?
Die Menisken muss man sich vorstellen wie zwei Hufeisen aus Knorpel, die als Puffer zwischen Ober- und Unterschenkelknochen im Kniegelenk sitzen.
Bei heftigem Abstoppen, Drehen beim Tennis spielen oder durch Verschleiß im Alter können Teile vom Meniskus abreißen und zwischen die Gelenkflächen geraten. Viele Menschen verspüren dabei aber keinen vernichtenden Schmerz, wie man es vermuten möchte. Und genau hierin liegt das Problem. Die Leute gehen dadurch nicht sofort zum Arzt. Die abgerissenen Teile des Meniskus wirken aber wie Sand im Getriebe und führen letztlich zur Arthrose, wenn der Schaden nicht behandelt wird. Die Faustregel nach einem Meniskusriss lautet: So rasch wie möglich – spätestens nach sechs Wochen – die störenden Teile entfernen. Denn der Meniskus hat keine eigenen Blutgefäße. Das heißt: Er kann sich nicht selbst ernähren. Wird nach einer Meniskusverletzung zu lange selbst an dem Knie mit Salben oder Quarkwickeln „herumgedoktert“, stirbt das abgerissene Meniskusgewebe ab und kann nicht mehr angenäht werden.
Was machen Sie bei einer Meniskusoperation, Dr. Toft?
Der Eingriff wird arthroskopisch durchgeführt. Dabei wird unterschieden zwischen einer Teilentfernung des Meniskus und dem Nähen des Meniskus.
Wenn der abgerissene Teil des Meniskus nicht mehr anzunähen ist, dann muss er entfernt werden. Wobei immer gilt: Je mehr erhalten werden kann, desto besser. Sofern es sich bei der Verletzung um Meniskusabrisse oder Ablösungen in der kapselnahen – also durchbluteten – Zone handelt, kann eine Reparatur per Naht oder Anschrauben vorgenommen werden, oder der Riss wird mit speziellen – sich selbst auflösenden – Haltestiften angeheftet.
Wenn es zu einem vollständigem Meniskusverlust gekommen ist, kann man neuerdings mit Präparaten aus der Gewebebank Meniskustransplantationen durchführen oder ein collagenes Meniskusimplantat (CMI) – also künstliches Gewebe – annähen. Dies funktioniert allerdings nur beim Innenmeniskus. Außerdem sollten die Patienten jung und die Verletzung „frisch“ sein.
Frau Dr. Tepe, wie steht es um den Operationserfolg, wenn bereits Knorpelschäden vorliegen?
Wenn zum Zeitpunkt der Meniskusoperation noch keine wesentlichen Knorpelschäden vorliegen, dann kann das Knie später meist wieder voll belastet werden. Sind jedoch bereits Knorpelschäden vorhanden, müssen leider Abstriche beim Ergebnis gemacht werden. Das heißt: Für das weitere Schicksal des Knies sind Gelenkknorpel und Bänder mit entscheidend, nicht allein der Meniskus.
Kann der Patient nach einer Meniskusoperation wieder Sport treiben ?
Natürlich. Auch wenn ein Teil des Meniskus entfernt werden musste, ist der Patient nach der Rehabilitation wieder sportfähig. Nur im Leistungssport muss man mit vermehrtem Verschleiß der Knorpelflächen rechnen, da die Puffer- und Schmierfunktion der entfernten Meniskusteile auf Dauer doch fehlt. Beim Freizeitsport sind aber auch bei Menisken, die teilweise entfernt wurden, kaum Spätschäden zu erwarten. Konnte der Meniskus mit einer Naht erhalten werden, dann kann der Patient nach rund sechs Monaten wieder Sport treiben. Die Gefahr eines erneuten Meniskusrisses besteht jedoch.
Stimmt es, dass in der Alpha-Klinik nur Menisken von Privatpatienten operiert werden?
Nein, ganz und gar nicht. Rund 30 Prozent unserer Patienten mit Meniskusoperationen sind Kassenpatienten. Wenn ein Patient nicht so viel Geld hat, aber unbedingt von unserer langjährigen Erfahrung bei den arthroskopischen Meniskusoperationsverfahren profitieren möchte, dann drücken wir schon mal ein Auge zu.
Frau Dr. Tepe und Herr Dr. Toft haben Sie vielen Dank für das Gespräch!
ORTHOpress 4 | 2001
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