Interdisziplinäre Schmerztherapie in Stuttgart
In Deutschland leiden über 6 Millionen Menschen an chronischem Schmerz. Obwohl vielen von ihnen durch eine maßgeschneiderte Schmerztherapie geholfen werden könnte, werden immer noch zu wenige Patienten gezielt behandelt. Wenn der Schmerz jedoch erst einmal chronisch geworden ist, kann ein Facharzt allein meist nicht mehr viel ausrichten.
„Dies zeigt die große Wichtigkeit einer modernen interdisziplinären Schmerztherapie“, erläutert der Stuttgarter Schmerztherapeut Dr. Thomas Albrecht, der neben Dr. Rainer Waldmann Leiter der Stuttgarter Schmerzklinik und Belegarzt der Marienpark-Klinik ist. „Es zeigt sich, dass für eine effektive Schmerzbehandlung eine ganzheitliche Betrachtungsweise des Patienten unerlässlich ist. Alle neuen Formen der Schmerztherapie basieren auf dem Ansatz, dass Ärzte verschiedener Fachgebiete in Zusammenarbeit mit Physiotherapeuten und auch Psychologen die Diagnostik und Therapie eines Patienten gemeinsam festlegen. So kann nicht nur die Leidenszeit des Patienten verkürzt, sondern auch der Kostendruck für die gesamte Solidargemeinschaft gesenkt werden.“ Dr. Albrecht und Dr. Waldmann setzen daher auf ein breit gefächertes Behandlungsspektrum aus verschiedenen ambulanten und stationären Eingriffen. Schwerpunkte bestehen in der Therapie von chronischen Rückenschmerzen, Kopf- und Tumorschmerzen. Dabei setzen die Ärzte auf eine Vielzahl von nicht-invasiven Verfahren nach modernsten Erkenntnissen und gemäß einem ganzheitlichen Behandlungsansatz (Akupunktur, Hypnose, Neuraltherapien, manuelle Therapien). Im Mittelpunkt des Schmerzzentrums steht die gezielte Behandlung mit minimalinvasiven und invasiven Therapiemethoden. Nervenblockaden, Sympathikusblockaden und rückenmarksnahe Schmerzspritzen sind dabei Routineverfahren im Behandlungskonzept von Dr. Albrecht und Dr. Waldmann. Dabei ist es mit den modernen Methoden möglich, auch bisher als „austherapiert“ geltenden Patienten, unter Einsatz von hochauflösenden bildgebenden Röntgenverfahren, in vielen Fällen auf schonende Weise zu helfen.
Bei chronischen Rückenschmerzpatienten hat sich ein besonderes Verfahren, die Radiofrequenztherapie, auch Hitzesonden-Behandlung genannt, als viel versprechendes Verfahren bewährt. Voraussetzung dafür sind beste technische Ausstattung, aseptische Operationsbedingungen und große klinische Erfahrung der Anwender. Nach örtlicher Betäubung im Bereich des betroffenen Wirbelsäulenabschnitts werden die Schmerzpunkte an den Wirbelsäulengelenken unter Röntgenkontrolle mit einer Kanüle aufgesucht. Genau in diesen Bereich der schmerzenden Nervenfaser wird die Hitzesonde eingeführt, deren richtige Lage computergesteuert überprüft wird. Dann wird exakt an diese Stelle ein örtliches Betäubungsmittel gespritzt. Nun kann die Sondenspitze erhitzt und ein kleiner Bereich von etwa 1–5 mm verödet werden. Durch die gezielte Hitzeentwicklung kommt es zu einer zeitlich begrenzten Eiweißveränderung im Gewebe, die für 1–2 Jahre anhält und rückbildungsfähig ist. Dadurch wird die Schmerzleitfähigkeit der hier verlaufenden Schmerzfasern unterbrochen – der Schmerz kann sich nicht weiter ausbreiten. Da jedes Gelenk von mehreren Schmerzfasern umgeben ist, muss diese Verödung meist auch an mehreren Stellen erfolgen.
Besonders geeignet ist dieses Verfahren bei Wirbelgelenksschmerzen, die auf andere Therapien nicht ansprechen, sowie bei nicht ausstrahlenden Schmerzen, die kurzfristig durch örtliche Betäubungsmittel gelindert werden können, und bei Wirbelsäulen- und/oder Bandscheibenverschleiß.
Eine andere Methode, mit der bei bestimmten Indikationen gute Erfolge erzielt werden, ist die Wirbelsäulenkatheter-Behandlung nach Racz. Dieses Verfahren eignet sich insbesondere bei starken akuten Schmerzen durch Bandscheibenvorfall oder -vorwölbung, bei starken chronischen Schmerzen und Nervenwurzelreizungen, bei Schmerzen nach Bandscheibenoperationen (Postnukleotomiesyndrom) und bei Bildung von Narbengewebe nach Operationen.
Dr. Albrecht: „Schmerz ist neuropsychologisch keine spezifische Störung. Die Therapie muss integriert auf allen relevanten Ebenen ansetzen.“ Neben der kurativen Medizin muss daher auch der palliativen Therapie ein Raum in der deutschen Medizin gegeben werden. Auch bei solchen Patienten, bei denen keine funktionelle Behebung der Störung mehr möglich ist, kann es durchaus noch erfolgreiche Therapieformen geben. So können Patienten mit chronifiziertem Schmerz, bei denen keine ursächliche Behandlung Erfolg verspricht, durch die Implantation einer Morphinpumpe ein Leben weit gehend frei von Schmerzen führen.
Dr. Albrecht: „Neben den konventionellen, nicht-invasiven Schmerztherapien kann so bei richtiger Diagnose- und Indikationsstellung entweder durch minimalinvasive oder invasive Techniken oder aber auch durch eine rein symptomatische Schmerzbehandlung für die meisten Schmerzpatienten eine befriedigende, individuelle Lösung ihrer Problematik gefunden werden.“
Ein Archivbeitrag* aus ORTHOpress 3 | 2001
*Archivbeiträge spiegeln den Stand zur Zeit der Erstveröffentlichung wieder. Die aktuelle Einschätzung des Sachverhalts kann durch Erfahrungszuwachs, allgemeinen Fortschritt und zwischenzeitlich gewonnene Erkenntnisse abweichen.