Haltungskorrektur durch Aktivierung der Fußreflexpunkte
Rückenschmerzen stellen nach wie vor eines der größten Probleme in ärztlichen Praxen dar. Trotz der rasanten Entwicklung neuer diagnostischer und therapeutischer Verfahren scheinen immer mehr Menschen von dieser Volkskrankheit betroffen zu sein. Ein paar Tage krankgeschrieben und mit einer Packung schmerzstillender Medikamente versehen, so muss es dann wieder für einige Zeit gehen. Aber es gibt Ärzte, die sich nicht abfinden wollen mit der alleinigen Behandlung des Symptoms Rückenschmerz, die vielmehr eine ganzheitliche Sicht ihrer Patienten entwickelt haben und sie dementsprechend auch in funktioneller Sicht als Einheit wahrnehmen. Diese Ärzte arbeiten dann auch oft in Kreisen zusammen, in denen sie ihre Erfahrungen austauschen können. ORTHOpress sprach mit einer Gruppe dieser engagierten Ärzte: den Orthopäden Dr. Ulrich Dreisilker aus Velbert, Dr. Gerd Kievernagel aus Ratingen, Dr. Rolf Rädel aus Herne, Dr. Gisbert Schramm aus Bochum und dem Chirurgen Dr. Janucz Pieczykolan aus Köln.
Was ist anders als bei der herkömmlichen Behandlung der Patienten?
Durch die ganzheitliche Betrachtung des Bewegungsapparates als Funktionseinheit können die Beschwerden der Patienten auf die tatsächlichen Ursachen zurückgeführt werden. Gerade bei chronischen Schmerzen ist diese Vorgehensweise von großem Nutzen, denn Rückenschmerzen sind nach den neuesten Erkenntnissen in einem äußerst komplexen Zusammenhang mit dem gesamten Bewegungsapparat bzw. dem menschlichen Körper insgesamt zu sehen. Besondere Dreh- und Angelpunkte sind dabei die Füße, der Übergang zwischen Lendenwirbelsäule und Kreuzbein und die Kopf- und Kiefergelenke.
Inwiefern spielen ausgerechnet die Füße eine Schlüsselrolle bei der Entstehung und Behandlung von Rückenschmerzen?
Der Fuß ist sowohl in anatomischer wie in funktioneller Hinsicht ein sehr komplexes Organ. Fast ein Drittel der Knochen des Menschen befinden sich in den Füßen. Sie sind durch eine Vielzahl von Gelenken, Sehnen, Muskeln und Faszien miteinander verbunden und stellen insgesamt eine Funktionseinheit von bemerkenswerter Festigkeit und Elastizität dar. Form und Krümmung der Fußgewölbe, sowohl Längs- wie Quergewölbe, erlauben es, sich den unterschiedlichen Beschaffenheiten des Untergrundes anzupassen und zusätzlich die Belastungen jedes einzelnen Schrittes dynamisch abzudämpfen und zu stabilisieren. Damit sind die Füße die Basis für unsere Aufrichtung und unsere Statik. Finden sich an den Fußsohlen schwache Muskelspannungen und damit Abflachungen der Fußgewölbe mit Fehlstellungen der Fußknochen, so ist die Abstützung des gesamten Bewegungsapparates geschwächt. Diese Dysbalance durchzieht als Muskelkettenreaktion den gesamten Bewegungsapparat bis hin zu den Kiefergelenken. Vom Fuß her können also, wie bei einer umfallenden Reihe von Dominosteinen, weitere Funktionsstörungen ausgehen. Eine Fußwurzelfehlstellung kann z.B. eine Beckenkippung oder eine Rückenverkrümmung mit entsprechenden Muskelverspannungen verursachen. Außerdem sind die Füße durch oberflächliche und tiefe Rezeptoren eng mit dem gesamten Nervensystem verbunden. Liegen hier Fehlfunktionen vor, so hat dies dementsprechend Auswirkungen im gesamten System.
Können diese funktionellen Veränderungen denn mit den normalen Untersuchungsmethoden diagnostiziert werden?
Wir führen in unseren Praxen eine ganzheitliche, funktionelle Untersuchung des Bewegungsapparates und der Wirbelsäule durch. Dabei werden osteopathische, chirotherapeutische und kinesiologische Tests angewendet. Letzteren kommt eine besondere Bedeutung zu. Kinesiologie ist die Lehre von der Muskelbewegung. Sie basiert im Wesentlichen auf der Erkenntnis, dass ein in seinem Regelkreis gestörter Muskel nicht seine volle Widerstandskraft erbringen kann. Der Muskel reagiert dann „weich“. Ein energetisch nicht gestörter Muskel reagiert demgegenüber „stark“, d.h. er kann seine volle Widerstandskraft entfalten. Die Prüfung der Widerstandskraft von Muskeln erlaubt Aussagen über die Funktionstüchtigkeit des betreffenden Regelkreises. Mit Hilfe dieser Tests ist es möglich, innerhalb weniger Minuten und ohne technischen Aufwand eine aussagekräftige Hinweisdiagnostik zu erhalten. Auf diese Weise lassen sich natürlich besonders die schon erwähnten drei Bereiche: Füße, lumbosakraler Übergang und Kopf- und Kiefergelenke testen. Zudem lässt sich nach erfolgter Behandlung die wieder eingetretene Funktionstüchtigkeit der Muskeln und Gelenkketten kinesiologisch nachweisen.
Kommt diese ganzheitliche Betrachtungsweise denn ganz ohne apparative Untersuchungen aus?
Eine notwendige Ergänzung der manuellen Untersuchungen stellt die dreidimensionale Wirbelsäulenvermessung dar. Es werden Zusammenhänge der Körperstatik und der Wirbelsäulenfunktion ermittelt, die weit über die üblichen Röntgen- computertomographischen und sogar kernspintomographischen Untersuchungen hinausgehen. Dabei wird der mit einem Lichtlaser belichtete Rücken des Patienten mit einer Videorekordereinheit aufgenommen und mit einem speziellen Computerprogramm berechnet. Die anfallenden Daten beschreiben die Oberflächenkrümmung des gesamten Rückens, die exakte Position des siebten Halswirbels, der Dornfortsatzreihe aller Wirbel und der Beckenknochen. Daraus wird dann eine exakte statische Beschreibung des jeweiligen Patienten erarbeitet. So können Fehlrotationen der Wirbelsäule, Seitenabweichungen, Lotabweichungen und Beckenschiefstände einschließlich Beinlängendifferenzen festgestellt werden.
Zu einer kompletten Untersuchung gehören daneben aber auch ein umfassender Ganzkörperstatus einschließlich einer Gleichgewichtsmessung, eine Augenfunktionstestung, eine kieferorthopädische Basisuntersuchung und die Untersuchung auf aufsteigende Muskelfunktionsfehler am Fuß.
Wenn nun die Analyse der Fehlfunktionen vorliegt, welche Therapie erwartet die Patienten?
Zunächst werden funktionell gestörte Regelkreisläufe bzw. die geschwächten Muskel- und Gelenksfunktionen durch manualtherapeutische, chirotherapeutische und osteopathische Therapien behandelt. Eine ursächliche Haltungskorrektur erfolgt über die Stimulation von Fußreflexpunkten, die zuvor kinesiologisch ausgetestet wurden. Dazu werden weiche, prallelastisch gefüllte Spezialeinlagen nach Frau Prof. Fusco verwendet. Der Fuß kann sich in seiner dreidimensionalen Ordnung wieder aufrichten, die Fußmuskulatur wird aktiviert und damit auch die miteinander verbundenen Gelenk- und Muskelfunktionsketten bis hin zu den Kiefergelenken. Wenn gleichzeitig die Wirbelsäulenmuskulatur auftrainiert wird, sind ein Jahr nach der Behandlung noch über 90 Prozent der Patienten beschwerdefrei. Die Therapieerfolge und die Dauerhaftigkeit der Behandlungswirkung lassen sich durch die dreidimensionale Wirbelsäulenvermessung eindrücklich beweisen.
Welche Auswirkung hat diese Therapie aus ganzheitlicher Sicht auf den Patienten?
Die Mobilisierung wirkt sich auch auf die soziale und psychische Verfassung aus. Denn Menschen, die sich schmerzfrei gerade aufrichten können und mit einer gekräftigten Muskulatur auch eine erhöhte Beweglichkeit haben, sind belastbarer und aktiver. So besiegen ein gekräftigter Rücken und aktivierte Fußreflexzonen den Rückenschmerz „Schritt für Schritt“.
Meine Herren, herzlichen Dank für diese Erläuterungen.
aus ORTHOpress 1 | 2002
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