Endoprothese statt Versteifung – Der Ersatz des oberen Sprunggelenks
Die endoprothetische Versorgung des oberen Sprunggelenks hat eine wechselvolle Geschichte. In den letzten gut 60 Jahren wurden verschiedenste Prothesendesigns am Markt eingeführt; viele Lösungsansätze haben sich jedoch als nicht zielführend erwiesen und wurden wieder verlassen.
Dr. André Morawe, Ärztlicher Direktor und Chefarzt der ATOS Orthoparc Klinik in Köln, setzt mit der Infinity-Sprunggelenksprothese jetzt ein Modell ein, dessen Langzeitergebnisse überzeugen können.
Herr Dr. Morawe, der Goldstandard bei fortgeschrittener Zerstörung des Gelenks ist nach wie vor die Versteifung, besonders bei jüngeren Patienten. Was ist das Problem dabei?
Dr. Morawe: Die Arthrodese, also die Versteifung, hat einen schlechten Ruf, den sie nicht immer verdient hat. Die Frage ist, welche Anforderungen an das Gelenk gestellt werden und wie man diese am besten für Jahrzehnte erfüllen kann. Der Vorteil der Arthrodese ist eine recht schnelle Wiederher- stellung der Stabilität und Funktion bei gleichzeitig hoher Versorgungssicherheit. Streckung, Beugung sowie alle Drehbewegungen der übrigen Fußgelenke können weiterhin ausgeführt werden. Der physiologisch nicht mehr identische Abrollvorgang kann heute durch den Einsatz spezieller Sohlen unterstützt werden, sodass das Gangbild nicht zwangsläufig stark leiden muss. Auch die meisten Sportarten sind ohne größere Probleme möglich. Ein Nachteil der Versteifung ist die höhere Belastung der benachbarten Gelenke und damit einhergehend ein höherer Verschleiß, insbesondere der unteren Sprunggelenke und der Knie. Nicht nur aus diesem Grund wünschen sich viele Menschen verständlicherweise eine möglichst natürliche Rekonstruktion des Originalgelenks.
Das ist aber nur mit einer endoprothetischen Versorgung möglich, welche die Beweglichkeit des Gelenks in allen Ebenen ersetzt. Warum konnten sich Sprunggelenksprothesen dennoch bislang nicht auf breiter Front durchsetzen?
Dr. Morawe: Obwohl die Ergebnisse der Sprunggelenksprothetik in den Händen versierter Operateure oftmals sehr gut sind, ist der Ersatz des oberen Sprunggelenks prinzipiell schwieriger als der eines Hüft- oder Kniegelenks. Das hat zum großen Teil damit zu tun, dass hier ein relativ kleines Gelenk praktisch die gesamte Last des Körpers tragen muss. Dazu kommt ein komplexer Bewegungsablauf, denn auch das Sprunggelenk ist nicht nur ein Scharnier. Die Hoffnungen, die in die Sprunggelenks- prothesen früherer Generationen gesetzt wurden, konnten leider nicht immer erfüllt werden. Eine recht hohe Lockerungsrate sowie Komplikationen wie Zystenbildung und Einheilungsstörungen führten dazu, dass sich der Enthusiasmus in den letzten Jahren eher gelegt hat und sogar ein Trend zur Versteifung zu beobachten war.
Die von Ihnen seit einiger Zeit eingesetzte Infinity-Prothese gilt jetzt als eines der ersten Modelle mit durchweg sehr guten Langzeitergebnissen. Woran liegt das?
Dr. Morawe: Praktisch alle Prothesen der letzten 15 oder 20 Jahre setzen auf ein Drei-Komponenten-Design, bei dem zwischen dem tibia- und dem talusseitigen Prothesenteil ein Gleitkern aus Polyethylen liegt. In der Vergangenheit war man dazu übergegangen, diesen Kern selbst beweglich zu gestalten, um die größtmögliche Mobilitätund Annäherung an den natürlichen Bewegungsablauf zu erreichen. Leider zeigte sich jedoch, dass die Kehrseite der hohen Beweglichkeit ein sehr starker Abrieb war, der zum Verschleiß und damit einer hohen Lockerungsrate führte. Bei der Infinity-Prothese ist der Gleitkern fest, man spricht auch von der „fixed bearing“-Technologie. Sie ermöglicht dadurch beim Einbau eine sehr gute Zentrierung des Sprunggelenks und erlaubt eine vergleichsweise frühe Belastung, auch weil die Syndesmose – der Bandapparat – komplett erhalten wird.
Der Einsatz der Prothese ist jedoch vergleichsweise aufwendig.
Dr. Morawe: Das ist richtig, gilt aber vor allem für die Planung und Vorbereitung. Vor dem Eingriff muss ein CT angefertigt werden, anhand dessen die ideale Position und Größe vom Hersteller in den USA errechnet werden. Mit den individuell erstellten Schnittblöcken kann dann während der Operati- on millimetergenau gearbeitet werden, sodass sich die OP-Zeit letztlich sogar verkürzt. Weil nicht ständig der Sitz der Prothese kontrolliert werden muss, ist auch die Strahlenbelastung geringer als bei anderen Modellen. Durch den modularen Aufbau der Infinity-Prothese kann sie ideal angepasst werden. Das erhöht auch die Sicherheit bei möglichen Folgeeingriffen – sollte einmal eine Komponente verschlissen sein, so kann diese gewechselt werden, ohne dass die ganze Prothese ausgebaut werden muss.
Für welche Patienten ist ein Sprunggelenksersatz geeignet?
Dr. Morawe: Um eine möglichst lebenslange Versorgung zu gewährleisten, kommen am ehesten Patienten im mittleren Lebensalter mit altersgerechtem körperlichem Aktivitätsniveau infrage. Bei sehr sportlichen Menschen stellt sich, wie bei anderen Endoprothesen auch, die Frage nach der zu erwartenden Dauerbelastung des Gelenks. Einem 60-jährigen Marathonläufer würde ich keine Sprunggelenksprothese empfehlen, einem gelegentlichen Tennisspiel oder auch dem Skifahren im Winter steht aber nichts entgegen. Allerdings müssen für einen Sprunggelenksersatz die anatomischen Voraussetzungen gegeben sein. Neben einem guten gesundheitlichen Trainings- und Allgemein- zustand bedeutet dies, dass die Bänder des Sprunggelenkes stabil sein müssen und der umgebende Ge- lenkknochen keine großen Defekte oder Fehlstellungen aufweisen darf. Auch Infektionen, Durchblutungsstörungen, Diabetes oder Störungen des Knochenstoffwechsels wie Osteoporose stellen absolute Gegenanzeigen für eine Sprunggelenksprothese dar, wie übrigens auch das Rauchen! Besonders ältere Patienten sind mit dem Infinity-Sprunggelenksersatz schneller wieder auf den Beinen, wie Dr. Morawe betont: „Die Patienten können schnell mobilisiert werden und nach nur 6 – 8 Wochen bereits auf den ‚Walker‘ verzichten. Das schützt vor Muskelabbau und thrombo-embolischen Komplikationen. Eine englische Studie an 503 Infinity-Patienten konnte zeigen, dass nach 5 Jahren noch 93 Prozent der eingesetzten Prothesen voll funktionsfähig waren, was als hervorragender Wert gelten darf.“
ATOS Orthoparc Klinik GmbH
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