
Inhaltsverzeichnis
- Herr Dr. Kinast, Sie haben soeben zusammen mit Professor Johannes Hamel das „Zentrum für orthopädische Fußchirurgie“ in München begründet – vor kurzem wäre so etwas doch undenkbar gewesen?
- Sie beschäftigen sich ja nun bereits seit vielen Jahren mit dem Fuß. Auf welchem Weg ist es aus Ihrer persönlichen Erfahrung heraus zu diesem Umschwung gekommen?
- Was ist nun die Zielsetzung des neuen Zentrums?
- Im Zentrum arbeiten Sie eng mit einem Kollegen zusammen.
- Sie selbst sind ja nun seit 1996 in eigener Praxis tätig. Worauf richtet sich hier das Hauptaugenmerk Ihrer Arbeit?
Ein neues Zentrum für Orthopädische Fußchirurgie
Noch vor wenigen Jahren hatten diejenigen Fachärzte, die sich intensiv der Behandlung des Fußes widmeten, mit Recht zu beklagen, dass die Fußchirurgie insbesondere in Deutschland ein stiefmütterliches Dasein friste. Nicht nur fehlten umfassende Richtlinien, die für eine Qualitätssicherung in Ausbildung und Ausübung dieser spezialisierten Fachrichtung hätten Sorge tragen können, auch die Forschungsbemühungen in diesem Bereich gingen auf „lahmen Füßen“ einher. Dabei zählen Schädigungen des Fußes zu den häufigsten Beschwerden, mit denen Patienten einen Orthopäden aufsuchen. Diese Situation hat in der jüngsten Vergangenheit zunehmend engagierte Orthopäden veranlasst, die operative Behandlung des Fußes in Deutschland zu optimieren. Durch intensive Fort- und Weiterbildungen sowie Auslandsaufenthalte, vor allem in den USA, wo bereits neuartige, den Patienten schonende Verfahren praktiziert wurden, gelang in jüngster Vergangenheit gewissermaßen ein revolutionärer Umschwung der Verhältnisse. Orthopress sprach mit dem Münchner Orthopäden und Fußspezialisten Dr. Christian Kinast über das Coming-out des Fußes in Deutschland.
Herr Dr. Kinast, Sie haben soeben zusammen mit Professor Johannes Hamel das „Zentrum für orthopädische Fußchirurgie“ in München begründet – vor kurzem wäre so etwas doch undenkbar gewesen?
In der Tat wurde der Fuß des Menschen lange Zeit sozusagen mit Füßen getreten. In der spezialisierten medizinischen Versorgung fand er wenig Beachtung. Diese Epoche ist nun glücklicherweise beendet. Zunehmend erkennt man die Komplexität und Bedeutung dieses wichtigen Teiles unseres Bewegungsapparates. Das Zentrum ist als solches, wenn Sie so wollen, Ausdruck dieser stattgehabten Veränderung.
Sie beschäftigen sich ja nun bereits seit vielen Jahren mit dem Fuß. Auf welchem Weg ist es aus Ihrer persönlichen Erfahrung heraus zu diesem Umschwung gekommen?
Zunächst galt es die in den USA bereits stark elaborierten modernen Verfahren der Fußchirurgie in Deutschland bekannt zu machen. Während hier zu Lande noch äußerst schmerzhafte und verstümmelnde Korrekturen von Ballen und Hammerzehen praktiziert wurden, welche stets für eine schlechte Presse sorgten und die Fußchirurgie insgesamt in Misskredit gebracht hatten, waren in den Staaten bereits Techniken weit verbreitet, die es erlaubten, die Funktion und auch die Ästhetik des Fußes auf schonende Weise wiederherzustellen und die Patienten – ohne Verlust von Gelenken etwa – von ihren Beschwerden zu befreien. In diesem Zusammenhang habe ich 1993 unter der Zielsetzung, die neuen spezialisierten Behandlungsmethoden für Fußerkrankungen auch einer Mehrheit zugänglich zu machen, ein amerikanisch-deutsches Symposium für Fußchirurgie in München veranstaltet. Der intensive Austausch mit den amerikanischen Fußärzten, den sog. Podiatristen, führte mich dabei zu der Überzeugung, dass nur eine interdisziplinäre Zusammenarbeit eine optimale medizinische Versorgung gewährleisten kann. Die logische Konsequenz war im April 1998 die Begründung des interdisziplinären Kolloquiums für Fußerkrankungen in München. Diese Zusammenkunft findet seither einmal im Monat statt und führt alle Berufsgruppen zusammen, die sich mit Problemen des Fußes beschäftigen.
Was ist nun die Zielsetzung des neuen Zentrums?
Es ist – wie der Name sagt – ein Ort, an dem sich alle relevanten Aktivitäten und das Fachwissen unterschiedlicher Bereiche zentrieren, um insgesamt eine maximal kompetente Behandlung der weit verbreiteten Vorfußbeschwerden zu ermöglichen. In der täglichen Praxis ist die enge Zusammenarbeit mit dem medizinischen Fußpfleger, dem Orthopädietechniker, dem Orthopädischen Schuhmacher und dem Physiotherapeuten selbstverständlich. Hinsichtlich der operativen orthopädisch-chirurgischen Behandlung, welche ambulant als auch stationär durchgeführt wird, gilt es die Ergebnisse dieser operativen Behandlung regelmäßig zu kontrollieren und auf wissenschaftlichen Kongressen zu präsentieren. Dadurch ist es sowohl möglich die Qualität der Behandlung zu sichern als auch den Fortschritt der wissenschaftlichen Bemühungen in der Fußchirurgie weiter voranzutreiben.
Im Zentrum arbeiten Sie eng mit einem Kollegen zusammen.
Ja, denn interdisziplinäre Zusammenarbeit verstehe ich zudem ganz konkret im räumlichen Sinne. So ist das Zentrum auch ein Ort, an dem Spezialisten für den Fuß zusammengeführt werden sollen – nicht zuletzt, um die Wege für die Patienten kurz zu halten. Seit Oktober 2000 bringt Professor Johannes Hamel sein Fachwissen in das Zentrum für Fußchirurgie ein. Prof. Hamel war bisher Chefarzt in der Orthopädischen Klinik Volmarstein, Klinik der Universität Witten/Herdecke. Er ist ein erfahrener orthopädischer Chirurg, dessen besonderes Interesse der Kinder- und Neuroorthopädie gilt. Neben seiner intensiven und innigen Arbeit mit den Patienten pflegt er die wissenschaftliche Arbeit, die in zahlreichen Vorträgen und Publikationen ihren Niederschlag findet. Zusätzlich ist er im Vorstand der Deutschen Assoziation für Orthopädische Fußchirurgie (D.A.F.) engagiert und Ausrichter von Weiterbildungskursen zur Erlangung des Zertifikats „Fußchirurgie der D.A.F.“.
Sie selbst sind ja nun seit 1996 in eigener Praxis tätig. Worauf richtet sich hier das Hauptaugenmerk Ihrer Arbeit?
In der Schwerpunktpraxis in München werden täglich Verletzungen, Erkrankungen und Deformitäten des Fußes behandelt. Hierbei ist die Beratung der Patienten genauso wichtig wie die nicht-operative Behandlung mit Einlagen, anderen orthopädischen Hilfsmitteln, Injektionen und der Stoßwellentherapie beim Fersenspornsyndrom oder der schmerzhaften Achillessehne. Das operative Spektrum umfasst die minimalinvasiven endoskopischen Operationen am Sprunggelenk, die endoskopische Plantarfasciotomie wie auch den Gelenkersatz und umfassende Rekonstruktionen des gesamten Fußes im Kindes- und Erwachsenenalter.
Herr Dr. Kinast, haben Sie vielen Dank für das Gespräch!
Ein Archivbeitrag* aus ORTHOpress 4 | 2000
*Archivbeiträge spiegeln den Stand zur Zeit der Erstveröffentlichung wieder. Die aktuelle Einschätzung des Sachverhalts kann durch Erfahrungszuwachs, allgemeinen Fortschritt und zwischenzeitlich gewonnene Erkenntnisse abweichen.