Schonendster Gelenkersatz bei schwerer Kniearthrose
Die degenerative Veränderung des Knorpels, „Arthrose“ genannt, ist eine weit verbreitete Krankheit, welche in Deutschland bei vielen zehntausend Menschen pro Jahr zur Implantation eines künstlichen Kniegelenkes führt. Dabei gibt es heute bei rechtzeitiger Behandlung durchaus Möglichkeiten, diese zu vermeiden oder zumindest hinauszuschieben.
Dazu Dr. Klaus Pickhardt von der Augusta-Medical-Clinic in Hattingen: „Am Anfang einer invasiven Therapie stehen Injektionsbehandlungen durch Chondrozyten-anregende Medikamente aus dem naturheilkundlichen Bereich. Danach folgen Hyaluronsäurepräparate wie Hyalart oder Synvisc. Erst wenn sich durch diese knorpelaufbauenden Maßnahmen keine zufrieden stellende Situation für den Patienten ergibt, gelangen minimalinvasive Operationstechniken zum Einsatz.“
So kann man heute bei einer kleinen, auf einen bestimmten Bereich begrenzten Knorpelverletzung im Knie (z.B. durch einen Sportunfall) den beschädigten Knorpel durch ein kleines Stück Knorpel ersetzen, welches man an einer anderen, wenig belasteten Stelle entnimmt.
Bei größeren Knorpelschäden geht dies nicht mehr: Man ist dann darauf angewiesen, den Knorpelverlust durch eine operative Glättung der Oberfläche zu begrenzen bzw. durch eine Stimulation der Blut führenden Schichten (eine „Pridie“-Bohrung) und/oder den Einsatz von Karbonfaserstiften die Bildung von Ersatzknorpel anzuregen. Dr. Pickhardt: „Alle diese Maßnahmen zielen darauf ab, das menschliche Gelenk in seiner ursprünglichen Form und Funktion zu erhalten. Aber obwohl die Medizin große Fortschritte gemacht hat, ist zum jetzigen Zeitpunkt eine Heilung der Arthrose noch Zukunftsmusik.“ Sind jedoch alle gelenkerhaltenden und knorpelschützenden Maßnahmen ausgereitzt, hilft nur noch die Implantation eines künstlichen Kniegelenks – ein Eingriff, der in Deutschland mittlerweile rund 40.000-mal im Jahr ausgeführt wird.
Insbesondere beim Kniegelenk spielt aber nicht nur die möglichst exakte Nachbildung der Funktionsweise unseres größten Gelenks eine Rolle, sondern auch die zu erreichende Langzeitstabilität der Prothese – der Patient soll ja optimal versorgt sein.
Wesentlich für die Lebensqualität mit dem Gelenkersatz ist aber – trotz aller aus der Raumfahrt entlehnten Materialien – nicht nur die Lebensdauer der Prothese allein: „Auch die nach dem Eingriff benötigte Zeit bis zur Schmerzfreiheit und Wiederaufnahme der gewohnten Beweglichkeit ist heute großer Bestandteil der Forschung und Entwicklung in der Medizintechnik. So ist bei einem Großteil der heute eingesetzten Prothesen der Eingriff selbst immer noch die den Patienten bei weitem am meisten belastendste Komponente. Die ‘klassische’ Knieprothese erfordert auch heute noch eine umfassende Resektion des Knochens und ein ‘Wegklappen’ der Kniescheibe, um genügend Raum zum Einbau des neuen Gelenks zu schaffen. Dies führt zwangsläufig zu einer starken Traumatisierung.“
Man versucht daher zunehmend auch hier minimalinvasive Eingriffe vorzunehmen, bei denen die Belastung durch den Eingriff so gering wie möglich gehalten werden kann.
Dazu zählt auch, dass – wann immer möglich – nicht das gesamte Gelenk ersetzt wird, sondern nur der Teil, der auch tatsächlich verschlissen ist. Man spricht dann von einer unikondylären Prothese („Schlittenprothese“), bei der nur die Lauffläche „erneuert“ wird.
Eine solche Prothese ist auch das nach seinem amerikanischen Entwickler John Repicci benannte „Repicci-Knie“ des Medizintechnikherstellers Biomet Merck, welches mit geringsten Öffnungen zur Implantation auskommt. So ist weder eine aufwändige Operation noch der bei herkömmlichem Kniegelenkersatz rund 20 Zentimeter lange Schnitt nötig. Dies kommt einer schnellen Rehabilitation des Patienten entgegen. Während die Patienten früher wochenlang auf das Abheilen der Operationswunde und das Einwachsen des Implantats warten mussten, können die meisten von ihnen nach dem Einsetzen eines Repicci-Knies bereits am Tag nach der Operation wieder umhergehen. Der nur etwa 4 cm lange Schnitt neben der Kniescheibe ist nach dem Abheilen der Operationswunde kaum noch zu sehen und stellt kein kosmetisches Problem dar. Das ist nicht nur ein psychologischer Aspekt: Jeder Arzt ist froh, wenn seine Patienten nach einer Operation so schnell wie möglich wieder auf den Beinen sind – der Muskelaufbau profitiert ebenso davon wie das minimierte postoperative Thromboserisiko. Ein weiterer Vorteil: Die Belastbarkeit der Prothese ist nach Ausheilen der Operationswunde ungleich höher als bei anderen Prothesenarten: Selbst sportliche Betätigung wie Tennis und Jogging sind vielen Patienten in Maßen wieder möglich – bei herkömmlichen Prothesen ist zumindest das sportlich aktive Leben für die meisten Empfänger eines solchen Implantats für immer vorbei.
Für einen solchen minimalinvasiven Gelenkersatz spricht aber noch mehr: Auch die nach heutiger Sicht langlebigste Prothese erreicht nur eine Lebensdauer von meist etwa 15, maximal 20 Jahren. Daraus ergibt sich zwangsläufig ein Problem bei den Patienten, bei denen das Ende der Lebensdauer der Prothese nicht auch mit dem Ende des eigenen Lebens einhergeht. Was passiert, wenn der Gelenkersatz bereits auslockert, der Patient selbst jedoch erst im 65. oder 70. Lebensjahr steht und sich ansonsten bester Gesundheit erfreut? „Auch der gefürchtete Revisionseingriff stellt hier kaum ein Problem dar“, erläutert Dr. Pickhardt: „Da der Knochen nicht bereits beim Ersteingriff umfassend reseziert wurde, ist noch genügend ‘Masse’ vorhanden, um nach Jahren noch einmal eine Vollprothese einsetzen zu können, falls dies notwendig werden sollte.“ Diese medizinische Versorgungssicherheit ist es denn auch, die zum Siegeszug dieser Operationsmethode beigetragen hat: Inzwischen sind rund 10% aller in Deutschland verbauten Knieimplantate minimalinvasiv eingebracht, Tendenz steigend. Dr. Pickhardt: „Es hat sich in unserer Klinik herausgestellt, dass bei gut 30% aller Patienten, die einer Kniegelenksprothese bedürfen, zunächst eine Teilprothese minimalinvasiv nach Repicci eingesetzt werden kann.
Besonders für junge Patienten ist die Vorstellung von einem Leben ohne körperliche Beweglichkeit verständlicherweise unerträglich. Mit der minimalinvasiven Endoprothese kann dazu beigetragen werden, Mobilität und Lebensqualität für einen großen Zeitraum zu erhalten.“
Ein Archivbeitrag* aus ORTHOpress 3 | 2001
*Archivbeiträge spiegeln den Stand zur Zeit der Erstveröffentlichung wieder. Die aktuelle Einschätzung des Sachverhalts kann durch Erfahrungszuwachs, allgemeinen Fortschritt und zwischenzeitlich gewonnene Erkenntnisse abweichen.