Wenn der Platz für Muskeln und Sehnen unter dem Schulterdach nicht mehr ausreicht, kann dies starke Schmerzen auslösen. Die Beweglichkeit ist so eingeschränkt, dass Betroffene oft nicht einmal mehr eine Kaffeetasse zum Mund führen können. Am Ende ist ein operativer Eingriff unumgänglich. Dabei gibt es jedoch – je nach Schweregrad der Beeinträchtigung – verschiedene Möglichkeiten. Über das Impingement-Syndrom, welches bei uns zwischen fünf und acht Prozent der Menschen irgendwann in ihrem Leben einmal quält, sprach ORTHOpress in Stuttgart mit dem Orthopäden Dr. Wolfgang Kunz, Chirurg und Orthopäde der Sektion endoskopische Chirurgie in den Räumen der Atlasklinik in Stuttgart.
Herr Dr. Kunz, Knie- und Hüftgelenksoperationen gehören heute zu den Standardeingriffen. Anders sieht es beim Schultergelenk aus. Behandlungen des Schultergelenks werden auf Grund seines komplizierten Aufbaus nicht leichtfertig in Angriff genommen. Das zeigt u.a. auch der Umstand, dass die Schulterarthroskopie erst seit Mitte der Achtzigerjahre in größerem Umfang durchgeführt wird – rund 20 Jahre nach den ersten operativen Erfahrungen dieser Art im Kniegelenk. Sind die Berührungsängste heute noch berechtigt?
Im Gegenteil: Eine Reihe von Schulterbeschwerden gilt mit den heute zur Verfügung stehenden modernen operativen Maßnahmen als gut behandelbar. Meist liegt eine Ursache zu Grunde, welche sich diagnostisch sicher bestimmen lässt. Dies ermöglicht in der Regel auch eine schnelle und erfolgreiche Therapie. Ganz wichtig ist, Probleme ganz anderer Art auszuschließen, ausstrahlende Schmerzen z.B., die auf ein Problem mit der Halswirbelsäule oder auch auf eine Herz-Kreislauf-Erkrankung hinweisen könnten.
Was versteht man unter dem Begriff „Impingement-Syndrom“?
Das „Impingement“ bezeichnet nicht eine Erkrankung an sich, sondern das Symptom, nämlich einen Schmerz im Raum unterhalb des knöchernen Schulterdaches. Es handelt sich um eine schmerzhafte räumliche Enge zwischen Oberarmkopf, Rotatorenmanschette und dem Schulterdach. Bereits von Natur aus steht hier für Muskeln, Bänder und Sehnen nur ein begrenzter Raum zur Verfügung. Bei bestimmten krankhaften Veränderungen wird dieser Raum noch enger, und es kommt zu chronischem Schmerz. Diese anfangs belastungsabhängigen Schmerzen können schließlich in Ruheschmerz münden.
Wie kommt es zum Impingement im Gelenk?
Ganz wichtig ist, dass das Impingement fast nie eine Erkrankung des Gelenks selbst bedeutet. Oft denken die Patienten bei den starken Schmerzen an arthrotische Veränderungen oder gar eine Knochenerkrankung. Zum Glück ist das jedoch sehr selten. Ein Impingement entsteht z.B. durch Sehnenverkalkungen, welche den Platzbedarf der Rotatorenmanschette stark erhöhen. Daraus resultiert eine Enge des subacromialen Raums, also unmittelbar unter dem knöchernen Schulterdach. Darüber hinaus kommt es auch vor, dass die Gelenkkapsel z.B. durch Kalkeinlagerungen zu übermäßiger Größe anwächst. Auch ein Hochstand des Oberarmkopfes bei vorliegenden Schulterinstabilitäten kann zum Impingement führen.
Wo liegen die Ursachen hierfür?
Auslösend kann unter anderem eine jahrelange chronifizierte Schleimbeutelentzündung sein. Diese führt dazu, dass sich in diesem Bereich Weichteilgewebe bildet und durch den immer wiederkehrenden entzündlichen Prozess vernarbt. Ebenso sorgen auch ständige Überlastungen der Bandstrukturen (z.B. bei häufigen „Über-Kopf-Arbeiten“) für Verdickungen, die eine solche Enge hervorrufen. Natürlich können die Ursachen aber auch angeboren sein, z.B. ein hakenförmig angelegtes Schulterdach oder auch schmerzhafte Knochensporne. Alle diese möglichen Gründe führen letztlich dazu, dass der Raum für den Schleimbeutel zwischen dem knöchernen Schulterdach und der Schultergelenkkapsel zu klein ist. Anzeichen dafür sind dann die starken, zunächst belastungsabhängigen Schmerzen – vor allem bei Tätigkeiten, bei denen die Arme über den Schulterbereich hinaus angehoben werden.
Kann ein solches Impingement jeden ereilen, oder gibt es bestimmte Menschen, die häufiger davon betroffen sind?
Viele Sportler aus Über-Kopf-Sportarten wie Tennis oder Volleyball leiden darunter, aber auch Anstreicher oder Elektriker. Dabei stellen die Betroffenen oft fest, dass der Arm seitwärts über ein bestimmtes Maß hinaus nicht mehr angehoben werden kann, ohne dass Schmerzen auftreten.
Wodurch lässt sich ein bestehendes Impingement-Syndrom überhaupt feststellen?
Wir Ärzte sehen die Patienten dann, wenn die typischen Beschwerden auftreten – spätestens dann, wenn der Nachtschlaf immer stärker beeinträchtigt wird, weil die heftigen Schmerzen auch in Ruhe nicht mehr abklingen. Zur Abklärung der Ursachen kommen dann Ultraschall, Röntgenuntersuchung oder auch eine Kernspintomografie zur Anwendung.
Wie sieht die Behandlung eines Impingements aus?
Wenn eine konservative Therapie, d.h. eine kurze Ruhigstellung oder auch die Gabe von leichteren Schmerzmitteln wie z.B. Aspirin oder Paracetamol nicht mehr Erfolg versprechend ist, muss die Schleimbeutelreizung operativ behandelt werden. Aufgrund der zu befürchtenden Immobilisierung ist es besonders beim Schultergelenk übrigens nicht ratsam, eine Ruhigstellung für einen längeren Zeitraum vorzunehmen, selbst wenn die Schmerzen dadurch nachlassen sollten. Die Operation erfolgt bei uns mit einem arthroskopischen, minimalinvasiven Eingriff. Dabei wird zunächst der Schleimbeutel ausgeräumt. Anschließend wird die Unterfläche des knöchernen Schulterdaches mit kleinen Fräsen um etwa 5–7 mm abgeschliffen, wodurch der Raum des Schleimbeutels deutlich aufgeweitet wird. Gleichzeitig werden, falls nötig, Knochensporne des Schulterdaches und ggf. des Schultereckgelenks abgetragen.
Die in der Praxis häufigste Ursache eines Impingements ist die Kalkschulter. Hier muss oft nur der entzündete Schleimbeutel entfernt werden, so dass wieder genügend Platz für Muskeln, Bänder und Sehnen vorhanden ist. Stabilität und Funktionalität des Gelenks sind hierbei nach der nur etwa 20 Minuten dauernden Operation nicht beeinträchtigt.
Früher hat man ja nicht in „Schlüsselloch-Technik“ operiert, sondern den zu operierenden Bereich weiträumig freigelegt. Welche Vorteile bietet ein arthroskopischer Eingriff?
Durch die immer weitergehende Spezialisierung und die Fortschritte in der Medizintechnik können heute praktisch alle denkbaren Eingriffe an der Schulter arthroskopisch vorgenommen werden. Die Belastung des Patienten ist dabei verglichen mit einer „offenen“ Operation gering, und neben einem erheblich reduzierten Wundschmerz nach dem Eingriff ist auch das Risiko auftretender Infektionen deutlich vermindert.
Muss der Patient nach einem solchen Eingriff in besonderer Weise nachbehandelt werden?
Wie alle operativen Maßnahmen an Gelenken oder den umliegenden Strukturen, ist eine Rehabilitation auch bei Eingriffen am Schultergelenk unabdingbar. Durch die Vielzahl der möglichen Ursachen eines Impingement-Syndroms ist hier allerdings in besonderer Weise eine individuelle Nachbehandlung festzulegen. Prinzipiell gilt: Der Patient ist umso früher schmerzfrei und aktiv, je schneller eine umfassende Mobilisierung erfolgt – ein „Einrosten“ des Gelenks gilt es unter allen Umständen zu vermeiden!
Herr Dr. Kunz, haben Sie vielen Dank für das Gespräch!
aus ORTHOpress 2 | 2002
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