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Rücken

Das epidurale Injektionsverfahren in Frage und Antwort

Frau hat Nackenschmerzen

Fragen über Fragen – Alltag vieler Patienten. Der Alltag in den Praxen wiederum lässt es – (auch) „bei bestem Willen“ – nicht immer zu, dass sämtliche Zweifel ausgeräumt werden. Zudem hindert viele Patienten oft schlicht ihre Scheu daran, das zu fragen, was sie bedrängt. Man findet nicht die richtigen Worte, ist sich unsicher darüber, was es denn alles zu erfragen gäbe, und in der Aufregung wird so manche Frage einfach vergessen und wieder mit nach Hause getragen.

Wir versuchen, unseren Lesern diese Last ein wenig abzunehmen, und richten an ihrer Stelle alle nur „erdenklichen“ Fragen an Ärzte, denen Patientenaufklärung ein Anliegen ist. Im heutigen Bericht geht es um das sog. epidurale Injektions- bzw. Katheterverfahren – ein Thema, das für die meisten Rückenschmerzpatienten von Interesse sein dürfte: Weil damit einer Vielzahl von Patienten mit einer hohen Wahrscheinlichkeit und dabei auf schonende Weise geholfen werden kann. Aber nicht nur deshalb ist hier der Informationsbedarf groß: Es handelt sich dabei um eine innovative Behandlungsmethode, die vor allem in Deutschland bislang nur von wenigen darauf spezialisierten Ärzten durchgeführt wird. ­

Was geschieht im Einzelnen beim epiduralen Kathe­terverfahren?

Ein in den USA entwickelter Spiralfederkatheter wird über eine Führungskanüle durch den natürlichen Eingang des Wirbelkanals am Steißbeinende oder durch das Nervenaustrittsloch der jeweiligen Etage schmerzfrei und zielgenau an den Ort des Geschehens im Wirbelkanal, an den Bandscheibenvorfall und an die angeschwollene Nervenwurzel oder in das Schmerz erzeugende Narbengewebe nach Bandscheibenoperation dirigiert. Durch ausgiebige Spülung und mechanische Lösung werden Verwachsungen, die die Nerven einengen, aufgehoben, ohne eine Gewebeschädigung oder Blutung zu erzeugen. Die mechanische Irritation der Nervenwurzel wird somit entfernt. Anschließend werden eine hoch konzentrierte Kochsalz- und eine Spezialenzym-Lösung über den liegenden Katheter unter Röntgenkontrolle und Kontrastmittelgabe injiziert. Die erzeugte Osmose führt zu einer Abschwellung des beengten Gewebes und zu einer Entlastung der Nervenwurzel. Die Einspritzung der Kochsalzenzymlösung erfolgt 24 und 48 Stunden nach dem Eingriff nochmals über den verbleibenden Katheter.

Worin liegt der Vorteil dieses Verfahrens gegenüber anderen Operationsmethoden und anderen Behandlungsverfahren?

Mit dieser Methode können ca. 75% der bisher herkömmlichen Bandscheibenoperationen vermieden wer­den. Durch den kleinen Katheter entfallen Hautschnitt und somit Narbenbildung (kein Postnucleotomiesyndrom) sowie die üblichen Narko­se­risiken, denn der Eingriff erfolgt nur unter lokaler Betäubung des Patienten und ggf. leichter Beruhigung. Die Patienten sind damit schneller wieder fit (keine langen Ausfallzeiten im Beruf durch Wegfall des stationären Reha-Aufenthalts), die üblichen Operationsrisiken (Infektion, Nervenverletzung) sind deutlich geringer als bei den herkömmlichen, auch mikrochirurgischen Operationsmethoden.

Der Vorteil gegenüber vielen anderen Behandlungsverfahren besteht darin, dass mit der Kathetertechnik die Wirkung der Behandlung direkt am Ort des Problems – und zwar unter Sicht (Röntgenkontrolle, Kon­trastmittelgabe) – gegeben ist.

Für welche Patienten ist das epidurale Katheterverfahren besonders geeignet?

Eine Therapie mit einem Epiduralkatheter nach Prof. Racz ist bei folgenden Krankheitsbildern sinnvoll: bei akutem Bandscheibenvorfall der Hals- und Lendenwirbelsäule ohne Lähmungserscheinungen, bei therapieresistenten Schmerzen der Hals- oder Lendenwirbelsäule, bei denen keine andere Behandlungsmethode Linderung gebracht hat, bei Schmerzen durch Vernarbungen nach Operationen sowie bei Patienten, die auf Grund von Erkrankungen des Herzens oder der Lunge nicht mehr auf herkömmliche Weise operabel sind.

Die Kathetertechnik stellt das Bindeglied zwischen fehlgeschlagener konservativer Therapie und nicht oder nicht mehr notwendiger operativer Therapie dar.

Ist der Einsatz der Kathetertechnik abhängig vom Lebensalter des Patienten?

Grundsätzlich bestehen hier keine Einschränkungen – im Gegenteil: Durch die fehlende Narkose kann damit auch älteren Patienten bei geringster Belastung geholfen werden.

Kommt es bei der Behandlung mit dem epiduralen Injektionsverfahren zu keinerlei Traumatisierung des empfindlichen Gewebes bzw. der entsprechenden Nerven und damit zu Wundschmerz und Narbenbildung? Welche Komplikationen sind bei dem Epiduralkatheterverfahren zu erwarten?

Diese Methode, wenn sie richtig angewandt wird, bietet kaum Komplikationen. Grundsätzlich können wie bei allen operativen Eingriffen Wundinfektionen entstehen. Da der Eingriff aber unter OP-Bedingung im Krankenhaus und unter Abschirmung mit einem Antibiotikum durchgeführt wird, ist davon auszugehen, dass diese Komplikation nicht eintritt. Die Wahrscheinlichkeit einer Verletzung von Gewebe ist auf Grund der Konstruktion des Katheters zu vernachlässigen.

Narkoserisiken fallen weg, bei stationärer Behandlung
nur kurzer Aufenthalt im Krankenhaus

Wie wird der Eingriff durchgeführt?

Der Eingriff, bei dem – wie gesagt – keine Narkose und lediglich eine lokale Betäubung erforderlich ist, kann ambulant oder stationär erfolgen. Letzteres ist empfehlenswert, um die geringen Operationsrisiken weiter zu minimieren. Der Katheter bleibt für 2–4 Tage liegen, sodass die Injektionen noch mehrfach wiederholt werden können. Danach kann der Patient entlassen werden. Nach dem Eingriff und den jeweiligen Injektionen kann sich der Patient zudem frei auf der Station bewegen.

In welchem Wirbelsäulenabschnitt kann der Katheter gelegt werden?

Grundsätzlich existieren verschiedene Zugangswege zur Wirbelsäule, die unterschiedlich eingesetzt werden und zum Teil höhere Risiken bringen. Die Technik unterscheidet sich also je nach Abschnitt der Wirbelsäule und sollte nur von geübten Operateuren durchgeführt werden. Bei Problemen im Bereich der Lendenwirbelsäule bietet sich das Katheterverfahren besonders gut an, da der Zugang zum Wirbelkanal verhältnismäßig einfach ist. Grundsätzlich kann auch ein Katheter bei Bandscheibenvorfällen an der Halswirbelsäule gelegt werden, allerdings ist der Zugang hier sehr viel schwieriger und es muss sehr viel genauer erwogen werden, ob die Katheterbehandlung geeignet ist.

Sofortige Schmerzlinderung zu erwarten

Ist der Patient nach der Katheterbehandlung „auf ewig“ schmerzfrei oder muss die Behandlung ggf. wiederholt werden?

In aller Regel ist der Patient durch die Katheterbehandlung deutlich schmerz­­gebessert. Allerdings ersetzt die Behandlung nicht die postoperativ durchzuführende Muskelkräftigung, um das Verhältnis zwischen Belastung und Belastbarkeit der Wirbelsäule für den Patienten günstig zu gestalten. Sollten wieder Beschwerden auftreten oder Restbeschwerden verbleiben, ist diese Methode auch problemlos und auch noch nach Jahren ohne erhöhtes Risiko wiederholbar und ist – bei richtiger Indikationsstellung (auf der Basis der klinischen Untersuchung, neuerer kernspintomografischer Aufnahmen und ggf. eines akutellen neurologischen Befundes) – auch jedes Mal ein Erfolg zu erwarten.

Welcher Therapieerfolg ist bei der Katheterbehandlung insgesamt zu erwarten?

Laut einer vor einige Jahren in Stuttgart durchgeführten Studie waren noch zwei Jahre nach der Katheterbehandlung zwei Drittel der Therapierten schmerzfrei oder gaben an, nur „gelegentliche Rückenschmerzen“ zu haben. Auch bezüglich der Medikamenteneinnahme stellte sich heraus, dass vor der Behandlung 87% der Patienten regelmäßig Schmerzmittel einnahmen, wohingegen sich der Wert nach der Behandlung auf 45,5% verbesserte.

Auch sportliche Belastungist wieder möglich

Wann kann der Patient nach einer Katheterbehandlung wieder seiner normalen Tätigkeit nachgehen und welche Nachbehandlung ist vorgesehen?

Bei optimalem Verlauf kann nach Entfernung des Katheters die normale Tätigkeit wieder aufgenommen und nach weiteren zwei Wochen sogar wieder Sport getrieben werden. Eine krankengymnastische Behandlung oder ambulante Rehabilitation sollte unbedingt durchgeführt werden und kann bereits in der Woche nach dem Eingriff erfolgen. Dies ist deshalb von großer Wichtigkeit, weil bei einer Bandscheibenschädigung ein muskulärer Aufbau zur Stabilisierung dringend erforderlich ist und der Krankengymnast auf Grund der Beschwerdelinderung des Patienten bessere Voraussetzungen für seine Arbeit vorfindet. Hinzu kommt, dass nach dem Eingriff keine Krankschreibung und auch keine aufwändige stationäre Reha- bzw. Kurmaßnahme vorgesehen sind. Alle Patienten, die konsequent ihre Muskulatur stabilisieren, haben im Allgemeinen keine langfristigen Probleme, sodass auch die Ausübung von Leistungssport wieder möglich ist. Allerdings neigen viele Menschen dazu, bei Beschwerdebesserung auch die Krankengymnastik zu vernachlässigen, und somit erhöht sich wieder das Risiko, einen Rück­fall zu erleiden. Grundsätzlich gilt: Ein Wirbelsäulenpatient bleibt ein Leben lang ein Wirbelsäulenpatient.

Bei welchen Krankheitsbildern ist das epidurale Katheterverfahren nicht angezeigt?

Eigentlich bestehen hier nur wenige Einschränkungen. So sollte z.B. nach einer stattgehabten epiduralen Infektion die Indikation genau überlegt werden.

Welche Möglichkeiten bleiben einem Patienten, dem das Verfahren nicht hilft?

Ein Bandscheibenvorfall-Patient, dem das epidurale Katheterverfahren keinen Erfolg bringt, ist eine Ausnahme. Er kann sich jederzeit den herkömmlichen Operationsverfahren stellen. Insbesondere ist dies dann der Fall, wenn eine Lähmung vorliegt, die durch das Katheterverfahren nicht gebessert werden konnte.

Seit wann eigentlich gibt es das Verfahren und wie beurteilen Sie seine zukünftige Bedeutung für die Bandscheibenbehandlung?

Der Erfinder des Verfahrens und Katheters ist Prof. Racz, Begründer der Texas Pain Society. In Deutschland wird das Verfahren erst seit einigen Jahren und bisher nur von wenigen spezialisierten Ärzten durchgeführt. Leider ist in Deutschland durch das gesetzliche Krankenkassensystem eine neue Methode oft nur langsam zu etablieren. Während die privaten Krankenkassen die Kosten für das Katheterverfahren komplett übernehmen, bezahlen die gesetzlichen Krankenkassen bis heute nur den stationären Aufenthalt. Der operative Eingriff sowie die Materialkosten werden von diesen zurzeit nicht übernommen.

Ein Archivbeitrag* aus ORTHOpress, aktualisiert 15.02.2024
*Archivbeiträge spiegeln den Stand zur Zeit der Erstveröffentlichung wieder. Die aktuelle Einschätzung des Sachverhalts kann durch Erfahrungszuwachs, allgemeinen Fortschritt und zwischenzeitlich gewonnene Erkenntnisse abweichen.