
Kein Mensch kommt mit Schuhen auf die Welt, dennoch sind sie in der heutigen Gesellschaft kaum wegzudenken: Modisch schicke Treter, elegante Abendgarderobe und Pantoffeln zuhause: Für jede Gelegenheit gibt es einen Schuh – aber ist es auch der richtige? Der Trend geht aktuell dazu, auch öfter barfuß zu laufen. Zu groß scheint der Einfluss des Schuhwerks auf das Wohlbefinden und die Form der Füße. Aber brauchen Füße den Schutz und die Unterstützung beim Laufen oder schwächen sie die Füße, weil sie nicht mehr gefordert werden? Wie alles hat das Barfußlaufen Vor- und Nachteile. Gerade Menschen mit Fußfehlstellungen sollten sich intensiver mit dem Thema beschäftigen, bevor sie einfach loslaufen.
Unsere Füße sind funktional konstruiert: Die Knochen bilden das statische Grundgerüst, die Muskeln, Sehnen und Bänder ziehen und strecken den Fuß, alles spielt dynamisch zusammen. Was ändert das Barfußlaufen daran? Die Antwort ist so individuell wie jeder Fuß und Mensch, daher muss jeder für sich die Vor- und Nachteile abwägen:
Sollte ich mit Barfußgehen beginnen, worauf kommt es an?
Die bekannteste Laufbewegung ist: Mit der Ferse aufsetzen, dann über den ganzen Fuß abrollen. Barfuß ist dies jedoch nicht möglich, da der Aufprall ohne die gepolsterte Sohle nicht ausreichend gedämpft wird. Barfußläufer setzen zuerst mit dem Vorfuß auf und ziehen sich dann vorwärts. Dementsprechend muss hier eine andere Geh- bzw. Laufbewegung angewendet werden, die anfangs ungewohnt und fordernd ist. Grundsätzlich beginnt Barfußlaufen „klein“: Wenige Minuten am Tag auf dem heimischen Teppich, gepflegtem Rasen oder Sand, erst dann an härtere Untergründe wagen und die Strecke nur langsam steigern. Außerdem sollte man sofort aufhören, wenn es unangenehm wird und gegebenenfalls die Auswirkungen auf Waden, Füße und Hüfte notieren. Es gibt keine einheitliche Mindest- oder Maximalstrecke, die eingehalten werden müssten. Waschen, Pflegecremes, Dehnung und Massagen helfen, die Füße gesund zu halten.
Der Einstieg ins Barfußlaufen erfordert vor allem Geduld: Der Körper reagiert auf die neuen Impulse, allerdings nicht sofort. Die Gewöhnung von Haut, Muskeln und Co. kann mehrere Monate dauern. Je länger man seinen Körper unterfordert hat, desto länger dauert es, bis längere Strecken absolviert werden können. Grundsätzlich kann man in jedem Alter vom Barfußlaufen profitieren, egal ob Kind im Wachstum oder älterer Mensch mit Muskelschwund.
Wer nicht direkt die extreme, sichtbare Barfußvariante möchte, kann als Mittelweg Barfußschuhe wählen: Sie sehen aus wie normales Schuhwerk, bieten aber nur eine leichte, flexible Sohle, die vor Schnitten schützt, aber dennoch den Untergrund spürbar macht.
Für das Barfußlaufen spricht:
- Eine abwechslungsreiche Beanspruchung der Füße hält Muskeln, Sehnen und Bänder fit und die Füße in Form.
- Barfußlaufen macht Haut und Unterfettgewebe auf Dauer widerstandsfähiger, es bildet sich schützende Hornhaut.
- Barfußlaufen bedeutet Temperaturunterschiede und Kontakt mit „Stock und Stein“: Das regt die Durchblutung und das Immunsystem an.
- Statt der immer gleichen Sohlen erhalten die Füße verschiedenen Input: Die Feinmotorik, das Gleichgewichtsempfinden und das Körperbewusstsein werden trainiert.
- Unter den Fußsohlen befinden sich sensorische Rezeptoren: Werden sie stimuliert, kann das auch entfernte Körperregionen wie Rücken, Kopf und Nacken positiv beeinflussen.
- Barfußlaufen bedeutet Laufen ohne Unterstützung, das intensiviert das Muskeltraining von Füßen und Beinen. Auf Dauer stabilisiert das und verhindert ein Umknicken der Fußgelenke.
Gegen das Barfußlaufen spricht: - Wenn die Füße durch zu viel ungewohntes Barfußlaufen überfordert werden, kann es zu Überlastungserscheinungen und ernsten Verletzungen kommen.
- Ohne schützende Schuhe kommen die Füße ggf. direkt mit Rollsplit, Staub, Scherben, Pfützen, heißem Asphalt oder kaltem Schnee in Kontakt. Ohne antrainierte Hornhaut stellt dies ein Verletzungsrisiko dar.
- Diabetiker und Menschen mit Neuropathien, also Nervenschäden, müssen besonders vorsichtig sein: Ihre Nerven nehmen Verletzungen der Haut, zum Beispiel durch Steine oder Scherben, nur bedingt wahr, was unbehandelt zu Infektionen führen kann.
- Bei ausgeprägten oder chronischen Fehlstellungen der Beinachsen, Gelenkbeschwerden oder Problemen mit der Wirbelsäule kann Barfußlaufen schädlich sein und bestehende Problematiken noch verstärken. Hier ist die Beratung durch einen Facharzt besonders wichtig, denn je nach Erkrankung kann Barfußlaufen sogar therapeutisch wirksam sein.
- Durch dauerndes Vorfußlaufen kann sich der Fußballen verbreitern. Viele „normale“ Schuhe sind unergonomisch und nach vorne spitz zulaufend: Derartige Schuhe passen dann nicht mehr.
- Für Menschen mit hohem Körpergewicht ist Barfußlaufen eher ungeeignet, da ihre Füße ohnehin stärker gefordert werden, wenn sie das Extra-Gewicht tragen.
von Andrea Freitag