Auch heute noch, nach nunmehr gut 20 Jahren, wird Triathlon von vielen als etwas Exotisches, wenn nicht Exzentrisches angesehen. Dass sich das „Rambo-Image“ dieser Sportart offenbar hartnäckig im öffentlichen Bewusstsein hält, liegt nicht zuletzt an den Presseberichten aus der Anfangszeit, in denen Urteile vorherrschten wie: „Große Schau der Supermänner“, „Verrücktheit hoch drei“ oder auch „Der totale Wahnsinn“.
Dieser Einschätzung aber steht die Tatsache entgegen, dass sich Triathlon zunehmend als Breitensport etablieren konnte und jedenfalls diejenigen nicht Recht behalten sollten, die Triathlon das Schicksal einer bald verebbenden Modesportwelle prophezeit hatten.
Wie alles anfing: Schnapsidee Triathlon
Laut Legende ist die Sportart Triathlon im Oktober 1977 auf der Insel Oahu/Hawaii durch die Initiative des Navy Commanders John Collins entstanden, und zwar als regelrechte „Schnapsidee“. Dieser soll nämlich bei einem Umtrunk mit Freunden („was having a few beers with some friends“) die Frage aufgeworfen haben, wer der beste und härteste Ausdauersportler sei, der Schwimmer, Radfahrer oder Läufer. Zur Klärung dieser Frage sollten die drei auf der Insel bereits bestehenden, alljährlich ausgetragenen Einzelausdauerwettkämpfe zu einem Nonstop-Wettkampf zusammengefasst werden: das „Around-Oahu-Bicycle-Race, a 112-mile event that was staged over two days. Then there was the Waikiki Roughwater Swim, 2.4 miles of open ocean swimming. Finally, there was the Honolulu Marathon, a 26.2 mile footrace“. Die Anekdote mag dazu beigetragen haben, dass die breite Öffenlichtkeit – rückblickend – das Triathlon in der Regel mit der Ironman-Variante auf Hawaii assoziiert, mit dem ersten Ironman, der am 18. Februar 1978 auf der Insel Oahu ausgetragen wurde. Von den 15 daran teilnehmenden männlichen Athleten finishten damals 12, Gordon Haller siegte in 11:46:58 Stunden.
Tatsächlich fand der erste Triathlon 1974 in San Diego statt als Nonstop-Wettbewerb über die Distanzen 1,5 km Schwimmen, 40 km Radfahren und 10 km Laufen (Sieger: Bill Phillips).
Bekannt wurde Triathlon allerdings erst mit der Austragung des dritten Ironman am 10. Januar 1980, an dem bereits 108 Sportler teilnahmen. Dieser Wettkampf nämlich wurde erstmals im Fernsehen, durch den amerikanischen TV-Sender ABC, übertragen. Dave Scott siegte damals mit der Glanzzeit von 9:24:33 Std. und unter den Frauen Robin Beck in 11:21:24 Std.
Der vierte, im Jahre 1981 stattfindende Ironman wurde auf die Insel Kona verlegt, da sie für die bereits immens angestiegenen Teilnehmerzahlen (326, davon 22 Frauen) geeigneter war. Und über diesen Ironman wurde erstmalig im Fernsehen der Bundesrepublik berichtet und damit das Interesse bei den deutschen Ausdauersportlern geweckt.
Weitere Entwicklung und Voraussetzungen
Noch sehr im Zeichen des Spektakels stehend war der im Februar 1982 stattfindende Budweiser Ironman Triathlon (530 Männer und 53 Frauen), ein Wettkampf, der auf Grund des dramatischen Finishs von Julie Moss – sie brach, lange Zeit führend, wenige Meter vor der Ziellinie zusammen – dem Triathlon seinen ebenso hohen wie fragwürdigen Bekanntheitsgrad eintrug. Als erste Deutsche nahmen Manuel Debus und Detlef Kühnel am im Oktober 1982 stattfindenden Budweiser Ironman teil. Am 26. April 1982 hatte das Triathlon auch auf bundesdeutschem Boden (in Essen) Premiere gefeiert. Es ging über die etwas unkonventionelle Distanz 1 km Schwimmen, 70 km Radfahren und 10 km Laufen.
Am 17. August 1984 wurde auf europäischer Ebene (in Almere) die Europäische Triathlonunion bzw. die European Triathlon Union (ETU) ins Leben gerufen, der sich damals 10 europäische Länder anschlossen. Im Gründungsjahr der ETU hatte es gleich zwei inoffizielle Europameisterschaften (über die Kurzdistanz) gegeben, eine in Durham, die andere in Köln. Auch erwähnenswert: Am 8. Juli 1990 fand in Detern-Stickhausen am Jümmer See (Ostfriesland) die erste Senioren-Europameisterschaft statt. Im August 1989 wurde die erste offizielle Weltmeisterschaft in Avignon ausgetragen, an welcher 42 Nationen teilnahmen.
Der von den „Triathleten der ersten Stunde“ im Januar 1983 gegründete Deutsche Triathlonverband (DTV) und der mehr breitensportlich orientierte, im November ins Leben gerufene Deutsche Triathlonbund (DTrB) fusionierten am 23. Februar 1985 zur Deutschen Triathlonunion (DTU) in Worms als bundesrepublikanische Dachorganisation, welche am 5. Dezember 1987 in den Deutschen Sportbund (DSB) aufgenommen wurde. Es folgte die Gründung eigener Triathlon-Landesverbände in allen Bundesländern und deren Aufnahme im jeweiligen Landessportbund.
Diese und weitere Entwicklungen ließen Stimmen aufkommen, die Triathlon als Sportart mit der höchsten Zuwachsrate, als Sport der Achtzigerjahre überhaupt kennzeichneten. Begünstigt wurde die Durchsetzung sicher auch durch verschiedene „Wellen“ im Sportbereich insgesamt – die sog. Fitnesswelle, Trimm- und Jogging- sowie Radfahrerwelle – letztlich durch die Tatsache, dass zu dieser Zeit weite Bevölkerungsschichten im Zusammenhang mit dem gestiegenen Gesundheits- und Freizeitbewusstsein als bewegungsaktiver Erholung damit anfingen, ein präventivmedizinisches Training in ihr Freizeitverhalten zu integrieren. Hinzu kam die Individualisierung des Sports, die ablesbar ist am drastischen Rückgang der Mitgliederzahlen in Sportvereinen mit Teamsportarten wie Fußball, Handball und Basketball in den Achtzigern.
Auf die „Länge“ kommt es doch an – Die Wettkampfstrecken beim Triathlon
Der eigentliche „Eklat“, der sich mit dem Bekanntwerden der „noch-nie-da-gewesenen“ Sportart einstellte, bestand nicht allein in der Tatsache, dass nun erstmalig in der Sportgeschichte verschiedene Ausdauersportarten nonstop in einem Wettkampf ausgeführt wurden, sondern rührte letztlich auch von den als extrem empfundenen Langdistanzen her. Dabei gab es von Anfang an auch andere Streckenfestlegungen.
Darüber hinaus werden weitere Distanzen in der Fachliteratur angegeben, so etwa der für Schüler C und B geeignete Mini-Triathlon (100 m Schwimmen, 2 km Radfahren, 1 km Laufen). Seit 1988 werden solche sog. „Motivationstriathlons“ übrigens z.B. im Rother „Schüler- und Schnuppertriathlon“ bzw. „Ironkid-Triathlon“ ausgetragen. Ebenfalls zu nennen ist der im Juni 1989 erstmals veranstaltete Karlsfelder Ironkid-Triathlon (0,2/8/2).
Die Begriffe Kurz-, Mittel- und Langtriathlon sind spätestens seit den 1985/86 über diese Distanzen stattfindenden Europameisterschaften in Europa standardisiert. Doch gibt es eine Reihe von Veranstaltungen, die von diesen als normiert geltenden Strecken in größerem Maße abweichen, wie z.B. der Nizza-Triathlon (3/120/32).
Der Double Ironman-Triathlon (in Huntsville/Alabama) ist demgegenüber „lediglich“ eine Verdoppelung der Normdistanz des Langtriathlon, wobei sich die Teilstrecken (7,6/360/84,4) zu einem für den Normalsportler kaum noch vorstellbaren 452-km-Nonstopwettbewerb addieren. Eine noch extremere Variante ist der 1984 eingeführte Triathlon London-Paris, ein nonstop von einer vierköpfigen Staffel-Mannschaft durchgeführter Wettbewerb bei Aufgabe der standardisierten Reihenfolge der Einzeldisziplinen, bestehend aus: Lauf von London nach Dover, Staffelschwimmen von Dover nach Calais, Radetappe von Calais nach Paris. Der Fantasie internationaler Wettkampfpraxis scheinen hier – gegenüber den theoretischen Reglements der Sportverbände – keine Grenzen gesetzt zu sein.
Auch heute noch ist Triathlon selbst in seiner gewissen breitensportlichen Präsenz sicher kein Sport für Jedermann. Nach groben Schätzungen trainieren Toptriathleten in der Woche durchschnittlich 5 bis 6 Stunden täglich, Durchschnittstriathleten immerhin wöchentlich 15 bis 20 Stunden – ein Trainingsaufwand, der immer noch weit über das Normalmaß hinausgeht. Während die Einzeldisziplinen als solche zu Recht Volkssportarten genannt werden können, gilt also nicht Gleiches für ihre Kombination. Nicht nur ist das Betreiben dieser Sportart sehr zeitaufwändig, auch andere Faktoren erschweren den Zugang zu Triathlon. So setzt seine Ausübung ein überdurchschnittliches Einkommen voraus (nach Angaben der DTU gibt ein Mittelfeld-Triathlet pro Jahr rund 6000 Mark für Ausrüstungen, Fahrtkosten, Übernachtungen und Startgelder aus). Zwar bedeutet das nicht gleich, dass sich das Triathlon-“Volk“ aus einer Elite-Gruppe selbstständiger Manager, Akademiker und Ärzte rekrutiert, doch liegt es in der Natur dieses Sports selbst begründet, dass er sich als eigentlicher Volkssport sicher auch in ferner Zukunft nicht wird etablieren können.
Ein Archivbeitrag* aus ORTHOpress 2 | 2001
*Archivbeiträge spiegeln den Stand zur Zeit der Erstveröffentlichung wieder. Die aktuelle Einschätzung des Sachverhalts kann durch Erfahrungszuwachs, allgemeinen Fortschritt und zwischenzeitlich gewonnene Erkenntnisse abweichen.