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Wichtig, aber wenig geschätzt
Der Darm gehört zu den Körperteilen mit schlechtem Leumund, über die man nur ungern spricht. Während Martin Luther noch unverblümt darüber schwadronieren konnte, dass aus einem verzagten Arsch niemals ein fröhlicher Furz kommt, sind die „niederen Regionen“ unseres Verdauungsapparats heute weitgehend tabu. Anders als manche glauben mögen, ist der Darm weitaus mehr als bloß eine Art Abflussschlauch zur Entsorgung ekliger Endprodukte. Vielmehr spielt er eine zentrale Rolle nicht nur für Verdauung und Stoffwechsel, sondern auch für die Immunabwehr. Zudem ist der Darm mit mehr als sieben Metern Länge unser größtes Organ und besitzt sogar ein eigenes Nervensystem.
Die größte Kontaktfläche des Körpers
Insgesamt bringt es der Darm auf eine Gesamtoberfläche von über 400 Quadratmetern, wozu vor allem die Zotten, blattförmige Erhebungen des Dünndarms, beitragen. Damit stellt er die größte Kontaktfläche des Körpers mit der Umwelt dar und bietet zugleich eine große Angriffsfläche für Fremdkörper und Giftstoffe. Die Häufigkeit von Darmerkrankungen ist dementsprechend groß. So leiden Millionen Deutsche unter chronischer Verstopfung, während die Zahl der Menschen hierzulande, die jedes Jahr eine chronisch-entzündliche Darmkrankheit wie Morbus Crohn oder Colitis ulcerosa bekommen, auf über 200 000 berechnet wird. Darüber hinaus erkranken schätzungsweise mindestens 50 000 Frauen und Männer jährlich an Darmkrebs und mehr als 30 000 sterben daran.
Regelmäßige Darmvorsorgeuntersuchungen sind ein Muss
Darmkrebs lässt sich in vielen Fällen durch eine rechtzeitige Vorsorgeuntersuchung verhindern. Denn jeder Tumor ist in seinem Anfangsstadium zunächst ein relativ harmloser Polyp. Für die Diagnostik stehen verschiedene Methoden zur Verfügung. Bei der manuellen Untersuchung tastet der Arzt ausschließlich den Enddarm auf etwaige Schleimhautveränderungen und Unregelmäßigkeitenhin ab. Spätestens ab Mitte 40 sollte jeder Mensch einmal im Jahr seinen Darm mithilfe eines sogenannten Blutstuhltests auf okkultes Blut hin untersuchen. Man bekommt die entsprechenden Teststreifen in jeder Apotheke. Die genaueste Form der Diagnostik stellt die Darmspiegelung oder Koloskopie dar. Sie wird von den Krankenkassen ab dem 50. Lebensjahr getragen. Liegen besondere Indikationen oder eine erbliche Vorbelastung vor, ist dies auch schon früher der Fall. Um den Darm für die Untersuchung zu entleeren, muss der Patient am Tag zuvor ein Abführmittel einnehmen. Bei der Untersuchung wird ein Koloskop – ein flexibles Endoskop mit Kamera und Lichtquelle – Stück für Stück den Dickdarm hoch bis zum Beginn des Dünndarms vorgeschoben. Wird das Koloskop wieder zurückgezogen, werden Bilder auf einen Bildschirm übertragen, die der Patient, wenn er es wünscht, verfolgen kann. Während der Untersuchung können mithilfe von kleinen Instrumenten Gewebeproben und Polypen entnommen werden. Die Darmspiegelung ist inzwischen zu einer Standardmethode geworden. Sie ist kaum belastend und findet auf Wunsch des Patienten unter Kurz- oder Dämmerschlafnarkose statt.
Neue Verfahren zur Dünndarmendoskopie
Seit einiger Zeit lässt sich auch der Dünndarm endoskopisch untersuchen. Mit der sogenannten Doppelballon-Endoskopie ist es möglich, Quellen für chronische Blutungen und Gewebeanomalien ausfindig zu machen und zu behandeln. Das Endoskop kann wie bei einer Magenspiegelung über den Mund oder wie bei einer Koloskopie über den Enddarm eingeführt werden. Geeignet ist es vor allem bei Verdacht auf entzündliche Darmerkrankungen wie Morbus Crohn. Eine relativ neue Methode zur Untersuchung des Dünndarms ist die sogenannte Kapselendoskopie. Dabei wird eine ca. ein mal drei Zentimeter große Kapsel mit Sender, Lichtquelle und einer Chipkamera hinuntergeschluckt, die über einen Zeitraum von etwa sechs Stunden pro Sekunde zwei Bilder aus dem Dünndarm sendet. Die Kapsel wird anschließend auf normalem Wege ausgeschieden. Anwenden lässt sich das Verfahren allerdings nur, wenn man davon ausgehen kann, dass keine Engstellen im Darm vorhanden sind.
Ein äußerst sensibles Organ
Während die moderne Medizin immer effizientere Methoden zur Diagnostik und Therapie von Darmerkrankungen entwickelt hat, ist das persönliche Verhältnis, das wir zu unserem Darm haben, vielfach gestört. Man spricht zwar gerne vom „Bauchgefühl“, aber die entsprechenden Signale werden dennoch häufig missachtet. Dabei ist der Darm eines der sensibelsten Organe unseres Körpers. Er reagiert auf Wut, Stress und Trauer so empfindlich wie ein Seismograf. Anstatt diese Reaktionen nur als lästige Störung zu empfinden, sollten wir uns mit ihnen auseinandersetzen, denn wer nicht auf seinen Bauch hören will, muss später vielleicht umso deutlicher die Konsequenzen fühlen.
Seit der Antike bekannt: der künstliche Darmausgang
Künstliche Darmausgänge – auch Stoma (griechisch = Mund) oder Enterostoma genannt – wurden bereits in der Antike gelegt. In Deutschland leben damit zurzeit über 100 000 Menschen aus allen Altersgruppen. Betroffen sind vor allem Patienten mit schweren Formen von Darmkrebs. Bei einem Stoma wird ein Teil des Darms durch die Bauchdecke ausgeleitet. Die Ausscheidungen werden in einem Beutel geruchsfest aufgefangen und anschließend in der Toilette entsorgt. Ein künstlicher Darmausgang kann zeitlich begrenzt oder dauerhaft angelegt sein. Wenn es sich um eine Ausleitung des Dickdarms handelt, spricht man von einem Kolostoma, ist der Dünndarm betroffen, spricht man von einem Ileostoma. Ein künstlicher Darmausgang stellt für die Betroffenen zunächst eine große Herausforderung dar, da sie sich daran gewöhnen müssen, ihren Stuhlgang nicht mehr kontrollieren zu können. Es gibt in Deutschland inzwischen zahlreiche Selbsthilfegruppen, in denen Stomaträger Rat und Hilfe bekommen und sich über ihre Erfahrungen und Probleme austauschen können.
von Klaus Bingler
Fragen und Antworten
Wie bemerkt man Darmschmerzen?
Häufig kommt es zu linksseitigen Schmerzen im Unterbauch sowie Durchfall, Verstopfung oder Blähungen. In ca. 10 bis 20 Prozent der Fälle entzündet sich die Wand des ausgestülpten Darmteils. Man spricht dann von einer Divertikulitis. Die Folge sind krampfartigen Schmerzen, Übelkeit, Erbrechen und Fieber.
Wann sollte man zur Darmkrebsvorsorge gehen?
Wenn ein Familienmitglied an Darmkrebs erkrankt ist, sollte man 10 Jahre vor dem Alter zur Vorsorgeuntersuchung gehen, an dem dies erstmals geschehen ist, spätestens jedoch im Alter von 40 bis 50 Jahren. Mindestens alle 10 Jahre sollte die Vorsorgeuntersuchung danach wiederholt werden.
Warum bekommt man einen künstlichen Darmausgang?
Bei Darmkrebs oder anderen Darmerkrankungen wie Morbus Crohn oder Colitis ulcerosa kann die Anlage eines künstlichen Darmausgangs, eines sogenannten Stoma, notwendig werden. Das Gleiche gilt auch für unfallbedingte Notfallsituationen, einen akuten Darmverschluss oder einen Darmdurchbruch.