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Psychosomatische Behandlung bei chronischen Schmerzen

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Psychosomatische Behandlung bei chronischen Schmerzen
Dr. Friederike Taraz leitet die Psychosomatische Tagesklinik des Vivantes Wenckebach-Klinikums in Berlin. Ihr Schwerpunkt liegt auf der Behandlung von Patienten mit chronischen Schmerzen. Im Gespräch erläutert sie, warum ein multimodaler Ansatz so wichtig ist.
Frau Dr. Taraz, wie kann eine psychosomatische Behandlung helfen, wenn chronische Schmerzen doch ein langfristiges Problem sind?

Dr. Taraz: Chronischer Schmerz ist nicht nur eine körperliche Empfindung. Viele unserer Patientinnen und Patienten haben einen langen Leidensweg hinter sich. Sie haben den Eindruck, dass die Auswirkungen der Schmerzen nicht immer ausreichend ernst genommen werden. Dabei gilt chronischer Schmerz als eigenständige Erkrankung, die den Alltag und die Lebensqualität erheblich beeinträchtigen kann. Deshalb arbeiten wir mit einem multimodalen Konzept und dem bio-psycho-sozialen Krankheitsmodell.

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Stress kann die Schmerzwahrnehmung verstärken
Was bedeutet das konkret?

Dr. Taraz: Das bio-psycho-soziale Krankheitsmodell berücksichtigt, dass chronischer Schmerz durch ein Zusammenspiel von biologischen, psychologischen und sozialen Faktoren entsteht. In unserer Behandlung werden alle diese Faktoren zusammen gesehen. Das bedeutet, dass wir nicht nur die körperliche Seite, also die medizinische und physiotherapeutische Behandlung, in den Blick nehmen. Wir schauen auch auf psychische Belastungen, zum Beispiel durch die Verantwortung für Angehörige, und auf soziale Aspekte, zum Beispiel Ärger am Arbeitsplatz. Stress, der länger anhält, kann die Schmerzwahrnehmung verstärken. In unserem Team aus Ärztinnen, Krankenschwestern, Psychologen, Physiotherapeuten und einer Sozialarbeiterin arbeiten wir deshalb mit einem multimodalen Konzept, das alle diese Faktoren einbezieht.

Können Sie uns den Ablauf einer solchen Therapie in Ihrer Tagesklinik genauer beschreiben?

Dr. Taraz: Die Behandlung in unserer Tagesklinik findet in einer festen Gruppe statt. Es stehen insgesamt 20 Behandlungsplätze zur Verfügung. Die Patienten kommen für sechs Wochen werktags in unsere Tagesklinik und nehmen an einem umfangreichen Gruppenprogramm teil. Dazu gehören regelmäßige Bewegungs-, Achtsamkeits- und Entspannungsübungen. Diese Übungen helfen dabei, die körperliche Beweglichkeit und die Ausdauer zu fördern und auch die Wahrnehmung für den eigenen Körper zu schärfen. Wir klären die Patienten unter anderem darüber auf, wie die Schmerzwahrnehmung funktioniert, wie Schmerzmedikamente wirken und was das vegetative Nervensystem mit Schmerzen zu tun hat. Wir versuchen gemeinsam mit den Patienten herauszufinden, was sie in ihrem Alltag im Umgang mit den Schmerzen verändern könnten. Dabei bewirken kleine Veränderungen oft eine überraschend große Wirkung. Darüber hinaus finden bei Bedarf Einzelbehandlungen und Beratungen durch unseren Sozialdienst statt, um individuelle Problemlagen gezielt anzugehen. Oft kann so eine Entlastung angestoßen werden.

Welche Rolle spielt dabei die Psychotherapie?

Dr. Taraz: Manche Patienten können sich anfangs gar nicht vorstellen, dass eine Psychotherapie in der Gruppe etwas an den körperlichen Schmerzen ändern kann. Aber wir erleben hier, dass sich die Patienten in der Gruppentherapie mit den Umständen, die zum Entstehen der chronischen Schmerzstörung geführt haben, gut auseinandersetzen können. Dabei hilft es sehr, dass alle unsere Patienten unter einer chronischen Schmerzstörung leiden und deshalb viel Verständnis füreinander haben.

Welche Veränderungen können die Patienten durch diese Therapie erwarten?

Dr. Taraz: Ein Ziel unserer Behandlung ist es, die Selbstwirksamkeit der Patienten zu verbessern. Das bedeutet, dass die Patienten Vertrauen gewinnen, dass sie ihren Alltag trotz der chronischen Schmerzerkrankung selber und gut gestalten können. Oft brauchen die Patienten nach der Behandlung viel weniger Schmerzmittel als vorher. Viele Patienten wissen gar nicht, dass die zu häufige Einnahme von manchen Schmerzmitteln zu schmerzmittelausgelösten Kopfschmerzen und langfristig auch zu Nieren- bzw. Leberschäden führen kann. Wir erleben, dass die Verbesserung der Entspannungsfähigkeit und die Anpassung der Aktivitäten dazu führen, dass sich die Stimmung verbessert. Ängste vor bestimmten Bewegungen oder körperlicher Überforderung werden abgebaut.

Welche Rolle spielt die Nachsorge in Ihrem Konzept?

Dr. Taraz: Sie ist ein wesentlicher Bestandteil unseres Behandlungskonzepts. Drei Monate nach Abschluss der Therapie bieten wir unseren Patienten einen sogenannten „Booster-Nachmittag“ an. Hier haben sie die Möglichkeit, die erlernten Strategien noch einmal aufzufrischen und mögliche Schwierigkeiten zu besprechen, die bei der Umsetzung im Alltag aufgetreten sind. Dieser Austausch ist sehr wertvoll, da er den Patienten hilft, das hier Erlernte langfristig im Alltag zu bewahren.

Welche Zielgruppen sprechen Sie mit Ihrem Therapieangebot an?

Dr. Taraz: Unsere Tagesklinik richtet sich an alle Menschen mit chronischen Schmerzen, die unzufrieden mit ihrem Umgang mit den Schmerzen sind. Entscheidend ist, dass jemand motiviert ist, neue Übungen und Strategien kennenzulernen und etwas in seinem Alltag zu verändern. Besonders häufig sehen wir Patienten mit orthopädischen Beschwerden wie Rückenschmerzen oder Arthrose, aber auch Patienten mit Fibromyalgie oder Kopfschmerzen kommen zu uns. Wir behandeln sowohl Patienten, die mitten im Berufsleben stehen, als auch solche, die durch ihre Schmerzen oder andere Umstände schon länger aus dem Arbeitsalltag herausgelöst wurden.

Kontakt:

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Vivantes Wenckebach-Klinikum
OÄ Dr. med. Friederike Taraz
Tagesklinik für Schmerzmedizin
Komturstraße 18a, Eingang 2, 2. Obergeschoss
12099 Berlin
Tel.: 030 / 130 19 – 4829
Fax: 030 / 130 19 – 4831
Website: www.vivantes.de