Dr. med. Hans-Dietrich Hildebrandt
eine neue Bandage zur dynamischen Kompensation von Fußfehlstellungen nach Schlaganfall
Wenn durch einen Schlaganfall ein Bein betroffen ist, steht der Fuß meist spastisch gelähmt nach unten gezogen und nach innen gedreht. Die Ursache ist ein muskuläres Ungleichgewicht zwischen den Fußsenkern und den Fußhebern sowie den Innen- und Außendrehern (Pro- und Supinatoren). Um das Ausmaß solcher Fehlstellungen möglichst gering zu halten, muss das betroffene Bein intensiv krankengymnastisch beübt werden. Zusätzlich wird die Fußfehlstellung durch so genannte Peronaeusschienen oder orthopädische Schuhe korrigiert. Die dabei erzwungene Stellung ist aber starr und unbeweglich. In den meisten Fällen führt dies dann auch dazu, dass sich der eingetretene Funktionsverlust durch die starre Fixierung auf Dauer verfestigt. Zudem kann der Fuß beim Gehen nicht nach unten gedrückt werden, ein Abstoßen am Ende des Abrollvorganges ist also unmöglich. Da der gefühlsmäßige Bodenkontakt der Fußsohle weitgehend verloren geht, wird auch das Gleichgewicht gestört. Der Gang wird insgesamt starr und unsicher. Treppen können die Betroffenen meistens nur noch seitwärts herabsteigen, indem sie sich zusätzlich mit beiden Händen am Handlauf festhalten.
Eine Änderung dieser Situation verspricht die Korrektur mit der neuen Neurodyn®-spastic-Orthese. Dabei handelt es sich um eine elastische Knöchelstütze mit speziellen Zügeln, mit denen die Fehlhaltung des Fußes sanft korrigiert wird. Dies ist immer dann möglich, wenn auch durch krankengymnastische Handgriffe eine entsprechende Stellung zu erzielen ist. Für Patienten mit sehr rigider Spastik ist das Hilfsmittel daher leider nicht geeignet. Bei einer weniger stark ausgeprägten Spastik gelingt es mit der neuen Orthese dafür sogar manchmal, die Fehlstellung des Fußes fast vollständig auszugleichen. Neben dieser passiven Korrektur werden zudem oft auch die Muskeln angeregt, die den Fuß heben und nach auswärts drehen. Das führt dazu, dass der Fuß nahezu normal durchgeschwungen – und nach entsprechender Übung – mit der Ferse zuerst aufgesetzt werden kann. Viele Patienten können dann sogar etwas abrollen und anschließend abstoßen. Die Zügel werden beim Abstoßen angespannt und ziehen den Fuß in der folgenden Schwungphase in die korrigierte Position zurück. Dadurch kann sich das Gangbild wieder harmonisieren und die Unsicherheit beim Gehen reduziert sich deutlich.
Gleichzeitig verleiht ein unelastischer Seitenzügel Stabilität und vermindert damit die Gefahr des Umknickens, die ja sonst bei den durch einen Schlaganfall bedingten Lähmungen recht hoch ist. Auch das Bodengefühl im Bereich der Fußsohle ist mit der Neurodyn-spastic-Orthese deutlich weniger beeinträchtigt, was insbesondere dem Gleichgewicht zugute kommt. Durch die erzielte muskuläre Dynamik und durch den wieder ermöglichten Fersenkontakt werden die Schritte auch wieder länger. Die Patienten können also im Vergleich zu herkömmlichen Schienen und orthopädischen Schuhen ein viel normaleres Gangbild erreichen und erhalten. Auch Treppen können häufig wieder in normaler Schrittfolge bewältigt werden. Spezielles Schuhwerk ist nicht mehr notwendig, es genügen geräumige Konfektionsschuhe.
Das Ziel einer orthopädietechnischen Rehabilitation sollte sein, verloren gegangene Funktionen möglichst so zu kompensieren, dass erhaltene Funktionen nicht behindert werden. Unter erhaltenen Funktionen sind im Fall der spastischen Beinlähmungen nach Schlaganfall die Möglichkeit einer – wenn auch eingeschränkten – Fußabrollung und eines gewissen Abstoßens des Fußes gemeint. Dieses Grundprinzip ist bei der Neurodyn®-spastic-Orthese bestmöglich umgesetzt und ermöglicht den Betroffenen so einen dem normalen Ablauf möglichst angenäherten Gang. Der hohe Tragekomfort bewirkt zudem, dass kein unangenehmer Druck entsteht: Dynamik statt Schienenstarre, Komfort statt Druck.
Allerdings entfaltet die Neurodyn®-spastic ihre Wirkung nur dann, wenn sie korrekt angelegt ist. Wichtig ist, dass die Zügel vorgespannt werden. Die Anlegehinweise, die jeder Orthese beiliegen, müssen genau beachtet werden. Anfänglich bedarf es sicherlich der Hilfe von Krankengymnasten oder Pflegepersonal. Je nachdem, wie stark auch die obereren Gliedmaße durch den Schlaganfall betroffen sind und wie der Gesamtzustand ist, schaffen es aber viele Patienten – nach einer gewissen Einübezeit – die Orthese allein anzulegen. Eine Anziehhilfe zum Hineinschlüpfen ist immer beigelegt.
Die Neurodyn®-spastic ist dabei nicht nur für Menschen nach Schlaganfällen, sondern auch bei Spastiken aus anderen Ursachen geeignet, die zu einer entsprechenden Fußfehlstellung geführt haben.
aus ORTHOpress 2 | 2002
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