Inhaltsverzeichnis
- Herr Prof. Hendrich, hatten Sie schon einmal einen Hexenschuss?
- Was genau ist der Hexenschuss?
- Ist das gefährlich?
- Worüber klagen Ihre Patienten?
- Wie sichern Sie die Diagnose?
- Was hilft?
- Und wenn das nichts hilft oder der Patient hochgradig verunsichert ist?
- Und die zweite Spritze?
- Geht diese Technik nur nach einer Hüft-OP?
Fast jeder hat schon einmal einen Hexenschuss gehabt, aber was ist das eigentlich? Was kann man dagegen tun? Und warum interessiert sich ausgerechnet ein Hüftchirurg dafür? Was es mit diesem häufigen Krankheitsbild auf sich hat, erfahren wir von Prof. Dr. med. Christian Hendrich, dem Ärztlichen Direktor des Orthopädischen Krankenhauses Schloss Werneck.
Herr Prof. Hendrich, hatten Sie schon einmal einen Hexenschuss?
Und was für einen. Als Student bin ich beim Fußball in ein Loch getreten. Der Schmerz war vernichtend, ich konnte nicht mehr gehen und hatte das Gefühl, ich hätte einen Bandscheibenvorfall. Aber es war nur das ISG.
Was genau ist der Hexenschuss?
Dabei handelt es sich wohl um keine geschützte Bezeichnung. Für mich ist der Hexenschuss gleichbedeutend mit einer Blockade oder Funktionsstörung des Gelenkes zwischen Wirbelsäule und Becken. Diese unregelmäßig geformte Fuge heißt auf Deutsch Kreuz-Darmbein-Gelenk, medizinisch Iliosakralgelenk oder ISG. Beim Hexenschuss mag man sich vorstellen, dass die unregelmäßig geformten Gelenkflächen sich wie Zahnräder schmerzhaft miteinander verklemmen und die natürliche Beweglichkeit dann aufgehoben ist.
Ist das gefährlich?
Glücklicherweise überhaupt nicht – aber eben schmerzhaft und behindernd.
Sie selbst haben im letzten Jahr fast 900 Endoprothesen operiert – fast die Hälfte Ihrer Patienten hat eine Hüfte bekommen. Wie viele von diesen Patienten hatten ein ISG-Problem?
Letztlich alle – die meisten unmerklich, viele mit ganz geringen Symptomen und einige mit deutlichen Beschwerden. Typisch ist das Auftreten nach der 6. oder 8. Woche, wenn die Einheilung der Endoprothese also bereits abgeschlossen ist. Die Patienten sind dann verunsichert, weil sie wieder mehr Schmerzen haben und ein Pro-blem mit der frisch operierten Hüfte befürchten.
Worüber klagen Ihre Patienten?
Wenn man den Patienten sorgfältig beobachtet, erkennt man vielleicht schon beim Aufstehen vom Stuhl eine leichte Gangasymmetrie. Nach wenigen Schritten gehen die Patienten dann wieder ganz normal. Andere Patienten haben erhebliche Schmerzen an unterschiedlichen Stellen, z. B. über dem ISG oder auch im Gesäß. Häufiger sind sogar Schmerzausstrahlungen in die Leiste oder den vorderen Oberschenkel. Gelegentlich findet sich auch eine Schmerzausstrahlung in den Oberschenkel außen. Einige Patienten empfinden eine störende Beinlängendifferenz, obwohl das Becken in der Röntgenaufnahme perfekt gerade steht.
Wie sichern Sie die Diagnose?
Die Hüfte und ihr Röntgenbild sind komplett unauffällig. Allerdings verschieben sich die Beine beim Aufsetzen aus dem Liegen asymmetrisch gegeneinander. Das heißt, dass die Beinlänge im Liegen und im Sitzen unterschiedlich erscheint. Da die Hüfte aber ein Kugelgelenk ist, kann eine solche Beinlängenänderung nicht vom Hüftgelenk ausgehen. Bei einigen, jedoch nicht bei allen Patienten lässt sich auch ein Druckschmerz am Übergang zwischen Wirbelsäule und Becken auslösen.
Was hilft?
Bei den allermeisten Patienten löst sich der Hexenschuss von ganz allein innerhalb von 2 – 4 Wochen. Unterstützend kann man einen Entzündungshemmer oder ein Mittel zur Muskelentspannung einnehmen. Hartnäckigere Blockaden kann man sinnvoll durch manuelle Therapie oder Osteopathie behandeln. Bitten Sie in jedem Fall Ihren Physiotherapeuten einmal, sein Augenmerk auf das ISG zu richten.
Und wenn das nichts hilft oder der Patient hochgradig verunsichert ist?
Dann empfehle ich zwei Spritzen, allerdings ausschließlich unter Durchleuchtung. Der Trick ist, dass die Gegenhüfte mit einem Kissen etwas angehoben wird. Man kann dann im Röntgen mit einer Nadel direkt in das ISG spritzen. Gern nehme ich dazu einen Tropfen Kontrastmittel, um ganz sicher zu sein. Ich spritze ein kurzwirksames Betäubungsmittel, und viele Patienten sind häufig innerhalb von einer Minute mehr oder weniger schmerzbefreit. Der Effekt ist meistens frappierend und beweist dem Patienten, dass nicht die Hüfte das Problem ist …
Und die zweite Spritze?
Wenn der Hexenschuss wieder zurückkommt (gelegentlich bleibt er auch nach einer Spritze weg), kann man an einem anderen Tag körpereigenes Plasma spritzen, das sogenannte PRP. Das ist nicht so spektakulär, aber häufig nach 48 bis 72 Stunden dann auf Dauer schmerzbefreiend. Fast ausnahmslos genügt eine Anwendung.
Geht diese Technik nur nach einer Hüft-OP?
Sie funktioniert auch bei Sportverletzungen, Wirbelsäulenproblemen und hartnäckigen Muskelverspannungen. Also auch beim chronischen Hexenschuss …
Orthopädisches Krankenhaus
Schloss Werneck
Spezialklinik für Endoprothetik, Orthopädie und Unfallchirurgie
Endoprothetikzentrum der Maximalversorgung
Tel.: 09722 / 21 - 50 00
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