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Hand auf’s Herz: Jeder von uns hat ihn schon kennengelernt, den scheinbar kerngesunden Mann in den besten Jahren, der aus heiterem Himmel einen tödlichen Herzinfarkt erleidet. Die Statistik spricht eine deutliche Sprache: Über 400.000 Bundesbürger sterben Jahr für Jahr an Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Rund 100.000 davon erleiden den sogenannten „plötzlichen Herztod“. Zum Vergleich: Das sind etwa doppelt so viele Menschen, wie jährlich im Straßenverkehr ums Leben kommen – aber nicht etwa in Deutschland, sondern in allen Mitgliedsstaaten der Europäischen Union und den Vereinigten Staaten von Amerika zusammen. Dennoch gab bei einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Emnid nur jeder fünfte Deutsche über 55 an, sich vor dem Herzinfarkt zu fürchten.
Das Tückische am Infarkt ist, dass er meist ohne jede Vorankündigung auftritt. Nur etwa ein Drittel aller Herzinfarktpatienten leidet vorher unter Symptomen wie Angina Pectoris (Herzenge), Atemnot oder Schmerzen im Oberbauch, welche auf einen drohenden Verschluss in den Herzkranzgefäßen hinweisen. Umso wichtiger also, sein persönliches Risiko richtig einschätzen zu können. Bislang war das allerdings nur bedingt möglich: Die einzige Methode, die tatsächlich eine gesicherte Aussage über Kalkablagerungen in den Koronararterien erlaubte, war die Kontrastmitteluntersuchung mittels Herzkatheter (Koronarangiographie). Diese aber taugt aufgrund des hohen Aufwandes und der notwendigen Kontrastmittelgabe nicht zur „Vorsorgeuntersuchung“. Eine neue Methode gibt jetzt innerhalb weniger Minuten Aufschluss über die Kalkmenge, die sich bereits in den Herzkranzgefäßen angesammelt hat: Das Kalkscoring. „Möglich geworden ist diese Untersuchung durch die neueste Generation leistungsfähiger Computertomographen“, erläutert Frau Dr. Monica Andersson, Radiologin in der Kölner MediaPark-Klinik. Ohne Kontrastmittel lassen sich die wichtigen Herzkranzgefäße mit diesen „Multislice-CTs“ so darstellen, dass eine sichere Beurteilung der Kalkmenge in den Koronararterien und sogar der Verteilung dieser Ablagerungen in den einzelnen Gefäßen ermöglicht ist.
Bestimmung des persönlichen Risikoprofils
Orthopress-Redakteur Arne Wondracek (36) hat ein solches Risikoprofil erstellen lassen. Ausschlaggebend dafür war bei ihm eine möglicherweise bestehende familiäre Disposition: Beide Großväter starben weit vor dem Erreichen des 70. Lebensjahres an Gefäßkrankheiten, sein Vater erlitt noch vor Erreichen des 50. Lebensjahrs einen Herzinfarkt, der eine Bypassoperation notwendig machte. „Obwohl ich mich eigentlich rundum wohl fühle, wollte ich es genauer wissen“, sagt Wondracek.
Nach wenigen Minuten ist alles vorbei
Arne Wondracek: „Ich hatte nicht damit gerechnet, dass das Kalkscoring so schnell gehen würde. Die Assistentin bat mich ein paar Mal, die Luft für ein paar Sekunden anzuhalten – dann war die Untersuchung auch schon vorbei. Wenige Minuten später wurde ich dann bereits ins Sprechzimmer gerufen und schaute dort fasziniert meinem eigenen Herzschlag zu.“ Beim mit Spannung erwarteten Ergebnis dann Erleichterung: Keine nachweisbaren Ablagerungen. „Natürlich sollte ein gutes Ergebnis bei einem Menschen dieses Alters der Normalfall sein“, führt Frau Dr. Andersson aus. „Wenn sich allerdings in so jungen Jahren bereits ein nachweisbarer Ablagerungskoeffizient ergibt, dann weiß der Patient, dass er etwas tun muss. Und in vielen Fällen kann er viel dafür tun, dass es für lange Zeit bei geringen Ablagerungen bleibt: Er kann abnehmen, Sport treiben, aufhören zu rauchen und sich bewusster ernähren.“ In jedem Fall kennt er sein persönliches Risiko besser und kann sich darauf einstellen.
Auch für Bypass-Patienten
Aber diese Untersuchungsmethode kann nicht nur zur prophylaktischen Bestimmung des Koronarrisikos eingesetzt werden: Auch Patienten, die bereits einen oder mehrere Bypässe haben, können bei der Kontrolluntersuchung davon profitieren. „Während hier früher immer eine Katheteruntersuchung durchgeführt wurde, könnte diese schon bald der Vergangenheit angehören, denn hier geht es nur darum, festzustellen, ob der Bypass noch durchgängig ist oder nicht“, sagt Frau Dr. Andersson. Sie geht davon aus, dass der Verzicht auf invasive Koronarangiographie bei Patienten ohne Koronarkalk in absehbarer Zeit rund ein Drittel der Katheteruntersuchungen einsparen helfen könnte – bei hoher Sicherheit für den Patienten: Jährlich werden in Deutschland rund 500.000 Koronarangiographien durchgeführt. Obwohl sie mittlerweile sehr sicher sind, ist es eine invasive Methode, bei der in etwa 0,5 Prozent aller Fälle Komplikationen auftreten können.
Ab 40 sinnvoll
Ab wann sollte man daran denken, ein solches Risikoprofil anfertigen zu lassen? „Wenn keine familiäre Disposition vorliegt und Beschwerden ohnehin den Gang zum Kardiologen angeraten sein lassen, würden wir heute sagen: Mit 40. In diesem Alter sind bereits häufig Verkalkungen zu erkennen, die aber noch nicht zu Stenosierungen geführt haben. Mit 40 kann man, salopp gesagt, noch rechtzeitig die „Notbremse“ ziehen.“ Anders sieht es natürlich aus, wenn nahe Verwandte frühzeitig an Herz-Kreislauf-Erkrankungen verstorben sind oder zumindest daran leiden, oder wenn das Risiko durch bestehende Krankheiten oder den persönlichen Lebenswandel klar erhöht ist: Hier kann eine Untersuchung ab dem 35. Lebensjahr durchaus schon sinnvoll sein.
Was kann das Multislice-CT?
Die Vorteile des Multislice-CT sind aber nicht nur auf die Diagnose der Herzkranzgefäße beschränkt: Die hohe Geschwindigkeit und dadurch höhere Auflösung erlauben eine exzellente Weichteildarstellung in kürzester Zeit. Davon profitieren neben der Darstellung der Koronargefäße auch und insbesondere die Diagnostik der Gefäße in den Extremitäten (z.B. zur Erkennung von Durchblutungsstörungen in den Beinen), aber auch die Erkennung und therapeutische Kontrolle bei der Behandlung von Tumorerkrankungen. Worin besteht nun aber der Unterschied zwischen einem herkömmlichen Computertomogramm und einem Multislice-CT? Dr. Andersson: „Man muss sich vorstellen, dass ein CT den durchleuchteten Körper in viele einzelne Scheiben (engl. ‚Slice’) zerlegt, aus denen ein dreidimensionales Bild zusammengesetzt werden kann. Dies erlaubt nicht nur – wie beim Röntgenbild – eine flächige Darstellung des zu untersuchenden Bereichs, sondern eine räumliche Rekonstruktion. Die Genauigkeit, mit der diese Untersuchung durchgeführt werden kann, hängt jedoch wesentlich von der Dicke der Scheiben ab, welche das CT liefert. Bei älteren Geräten kann es daher passieren, dass sich einzelne Scheiben des diagnostisch relevanten Bereichs überlagern.“
Einfach ausgedrückt:
Je mehr Scheiben vom Apparat pro Zeiteinheit aufgenommen werden können, desto schärfer und aussagekräftiger wird das Bild. Multisclice („Vielscheiben“)-CT der neuesten Generation liefern ein Bild, welches um den Faktor 8 (!) genauer ist als das herkömmlicher Geräte. Nur mit ihnen ist es daher möglich, viele Weichteilveränderungen überhaupt zu erkennen. Hinzu kommt, dass die zur Untersuchung benötigte Zeit drastisch verringert wird: Für viele Untersuchungen muss der Patient also nicht mehr über einen langen Zeitraum hinweg still liegen. Eine einfache Untersuchung der Lunge kann so z.B. in etwa einer Minute beendet sein.