Fachübergreifend geht die Behandlung schneller und besser
Wohin mit den Rückenschmerzen? Sie gehören zu den häufigsten Beschwerden, doch ist man als Betroffener oft ratlos: Zum Hausarzt gehen? Oder zum Orthopäden? Dann die Ungewissheit, welche notwendigen Schritte wohl eingeleitet werden müssen – wer hat nicht Angst vor einer Operation, auch wenn die Eingriffe heute immer schonender werden?
Normalerweise sind die medizinischen Fachdisziplinen voneinander getrennt, bemängelt der Neurochirug Dr. Ralf Saballus aus Berlin. Dadurch kann es für den Patienten Wochen dauern, bis er endlich eine Diagnose bekommt und die Therapie beginnen kann. Zusätzlich bleiben die menschlichen Bedürfnisse nach Zuwendung und Vertrauen oftmals auf der Strecke. Während seiner Tätigkeit an der Berliner Charité tat sich Dr. Saballus mit befreundeten Radiologen zusammen und entwickelte das Konzept einer fachübergreifenden Gemeinschaftspraxis. Die Grundidee: Enge Zusammenarbeit der Ärzte bedeutet kurze Wege und damit Zeitersparnis für den Patienten. In einer fachübergreifenden Gemeinschaftspraxis nämlich kommen unterschiedliche Diagnose- und Behandlungsmethoden zum Einsatz.
Grundlage ist die neurologische Befunderhebung: Prüfung von Nervenreflexen, motorischen Ausfällen, Gefühlsstörungen etc. Vorhandene Untersuchungsergebnisse werden natürlich ebenfalls ausgewertet. Dr. Saballus: „Entscheidend ist eine sehr sauber ermittelte Diagnose, um die richtige Therapie einleiten zu können.“ Hierbei stehen verschiedene Geräte zur Verfügung: Röntgen der Wirbelsäule, CT (Computertomographie) oder MRT (Kernspintomographie), EMG (Elektromyelographie, um Nervenschäden zu erfassen) und die funktionelle Bildgebung, das heißt: Beobachtung der Wirbelsäule unter dem MRT in Bewegung, um den Ort der Schädigung genau bestimmen zu können.
Das alles gibt es unter einem Dach, und noch viel mehr: Nach einer eingehenden Diagnose sind zudem verschiedene Therapien und Operationen vor Ort möglich. Dr. Saballus: „Wir können hier alle Operationen an der Wirbelsäule ausführen. Der Schwerpunkt liegt allerdings auf minimalinvasiven Verfahren, denn sie sind schonender und ermöglichen eine kürzere Rehabilitation und damit auch eine schnellere Wiedereingliederung in den Arbeitsprozess.“ Die Besonderheit, die sich aus der Zusammenarbeit von Neurochirurg und Radiologe ergibt: CT und MRT werden nicht nur zur Diagnostik genutzt, sondern auch für die Operationen. Ein Computertomographie-Gerät im Operationssaal zählt dabei heute noch nicht zum Standard. Außerdem braucht der Neurochirurg eine spezielle CT-Zulassung. Dr. Saballus: „Der große Vorteil der Computertomographie im Operationssaal ist die intraoperative Kontrolle: Bei der Behandlung sieht der Arzt während des Eingriffs am Bildschirm, wo er sich mit den Instrumenten befindet und was er tut.“
Bei einem Bandscheibenvorfall muss nicht immer operiert werden. Eine Möglichkeit nicht-invasiver Behandlung ist die CT-gestützte periradikuläre Therapie. Ein umständlicher Ausdruck für ein schonendes Verfahren, das Dr. Saballus so beschreibt: „Dabei wird unter CT-Kontrolle ein wirksames Medikamentengemisch direkt zwischen Nerv und Bandscheibe gesetzt. Damit wird die Entzündung bekämpft, und die Schwellung des Nervs bildet sich nach und nach zurück.“
Wenn das jedoch nicht hilft, kann eine endoskopische Entfernung des Bandscheibenvorfalls mittels Laser erfolgen – natürlich ebenfalls unter CT-Kontrolle.
Doch Achtung: Die hochmoderne Gerätemedizin hat ihren Preis – und den übernehmen die gesetzlichen Krankenkassen nicht in allen Fällen. Deshalb muss der Patient vor jeder Operation Rücksprache halten und überlegen, wie tief er in die eigene Tasche greifen kann und will. Übrigens: Es sind offensichtlich immer mehr Ärzte vom Nutzen der fachübergreifenden Zusammenarbeit überzeugt. Viele Arztpraxen werden inzwischen in Ärztehäusern bzw. -zentren gegründet – so können in Zukunft fast überall lange Wege vermieden werden und die Behandlung kann unmittelbar nach der Diagnose einsetzen.
von Gernot Schlimm
Ein Archivbeitrag* aus ORTHOpress 4 | 2000
*Archivbeiträge spiegeln den Stand zur Zeit der Erstveröffentlichung wieder. Die aktuelle Einschätzung des Sachverhalts kann durch Erfahrungszuwachs, allgemeinen Fortschritt und zwischenzeitlich gewonnene Erkenntnisse abweichen.