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Sportmedizin

Triathlon: Die Krone des Ausdauersports

Triathlon

Wie kaum eine andere, zudem seit Jahren etablierte Sportart hat Triathlon nach wie vor mit sehr unterschiedlichen Einschätzungen, vor allem Vorbehalten zu kämpfen. Der Aburteilung als Extremsportart aber, die nichts für „normale Menschen“ sei, steht der hohe gesundheitliche Wert dieses Sports entgegen. Dennoch darf nicht verkannt werden, dass es sich bei den Betreibenden um eine ganz bestimmte Art von Athleten handelt: diejenigen nämlich, die im Bereich des Ausdauersports das derzeit maximal Mögliche anstreben.

Was genau ist eigentlich „Triathlon“?

Zunächst ist darunter ein Ausdauermehrkampf zu verstehen, „die Kombination von mindestens zwei Ausdauersportarten. Dazu müssen 2 Sportartenwechsel durchgeführt werden. Unter einem Sportartenwechsel versteht man den Wechsel von einem Bewegungsablauf zum anderen“. Insofern handelt es sich z.B. auch beim sog. Duathlon (Wechsel von „Laufen – Radfahren – Laufen“), das gegenüber Triathlon nur zwei Disziplinen umfasst, um einen Ausdauermehrkampf.

Der international verbindlich gewordene Begriff für Triathlon ist ein aus dem Altgriechisch-Lateinischen stammendes Lehnwort, das wörtlich übersetzt „Dreifach-Kampf“ bedeutet. In welcher Weise der Athlet sich in den drei Wettkämpfen zu bewähren hat, darüber sagt der Begriff als solches nichts. Die im Triathlon-Jahrbuch 1990 veröffentlichten Grundsatzbestimmungen der DTU (Deutsche Triathlon Union)-Wettkampfordnung definieren: „Triathlon ist ein Ausdauermehrkampf bestehend aus Schwimmen, Radfahren und Laufen. Dabei muss das Schwimmen aus gesundheitlichen Gründen an 1. Stelle durchgeführt werden, danach sollte das Radfahren, abschließend das Laufen folgen. In Ausnahmefällen kann bei breitensportlichen Veranstaltungen das Laufen an 2. Stelle und das Radfahren zum Schluss durchgeführt werden. Hierauf muss dann aber deutlich, am besten bereits in der Namensgebung, in der Ausschreibung hingewiesen werden. Bei Meisterschaften oder deren Qualifikationsläufen ist die Reihenfolge Schwimmen, Radfahren, Laufen verbindlich vorgeschrieben.“ Ähnliches steht in der Sportordnung der Deutschen Triathlon Union unter „Allgemeine Regeln im Triathlon“, ergänzt um folgende zentrale Bestimmung: „Der Wettkampf ist ohne Unterbrechung der Zeitnahme durchzuführen. Ausnahmen können bei Veranstaltungen gemacht werden, wo das Schwimmen in Hallen- oder Freibädern stattfindet.“ Wichtig: Nicht die bloße Kombination der drei Ausdauersportarten Schwimmen, Radfahren und Laufen als solche ist das Innovative der Mehrkampf-Sportart, sondern der Gedanke der Kontinuität bei der Durchführung bzw. Ausübung der verschiedenen Ausdauereinzeldisziplinen. Bei diesem Nonstop-Ausdauerwettkampf also läuft die Zeit vom Schwimmstart an und wird erst angehalten, wenn der Läufer die Ziellinie passiert.

Die Mischung macht’s

Vereint werden im Triathlon drei der beliebtesten Sportarten überhaupt, bei denen es sich – sicher nicht zufällig – um drei von Jugend an vertraute Bewegungsformen handelt, angeführt vom Laufen als biologisch natürlichster Bewegungsform. Für das Laufen spricht auch, dass keine speziellen technischen Voraussetzungen erforderlich sind und auch der Materialaufwand verhältnismäßig niedrig einzustufen ist. Für eine (normale) Laufausrüstung benötige man aufs ganze Jahr gerechnet nicht einmal eine Mark pro Tag. Demgegenüber ist Schwimmen die technisch gesehen intensivste Trainingsform, Radfahren die kostspieligste. Alle drei zeichnen sich durch ihren hohen präventiv-medizinischen Gesundheitswert aus. Seit Anfang des 20. Jahrhunderts gehören sie jeweils zum Olympischen Programm.

Bei den drei klassischen Ausdauersportarten handelt es sich zudem um sog. zyklische, lokomotorische Bewegungsabläufe, d.h. bei ihrer Ausübung werden dauernd sich wiederholende Bewegungen vollführt. (Schwimmen: dauernder Wechsel zwischen Zug-, Druck- und Entspannungsphase; Radfahren: gegliedert in Druck- und Zugphase; Laufen: Wechsel zwischen hinterer Stütz-, Flug- und vorderer Stützphase.) Dies ermöglicht die Verbesserung der allgemeinen, dynamischen Ausdauer. Unter einer zyklischen Sportart ist speziell diejenige zu verstehen, bei der mehr als ein Sechstel der Gesamtmuskelmasse in Anspruch genommen wird. Weiteres Kriterium der Ausdauersportart: Die Belastungsdauer soll eine halbe Stunde nicht unterschreiten.

Das Primäre dieser sportlichen Belastungsweise ist, wie gesagt, die „motorische Eigenschaft Ausdauer“ – und nicht Kraft, Schnelligkeit oder Technik. Gleichwohl haben die drei Teildisziplinen alle an den motorischen Grundeigenschaften Ausdauer, Kraft, Schnelligkeit, Beweglichkeit und Koordination teil – mit jeweils unterschiedlichem Ausmaß, wie die untenstehende Tabelle zeigt:

Diese Zahlen sind vor allem auch im Hinblick auf die Leistungsdiagnostik der kontinuierlichen Gesamtleistung Triathlon interessant: Bereits die erste Disziplin erfordert eine relativ hohe Ausdauer als auch Kraft, bei der zweiten steigt der Kraftanteil, bei der dritten geht es nahezu ausschließlich um die zu erbringende Ausdauerleistung. Dies mag erklären, warum 45% der amerikanischen Triathlon-Teilnehmer zunächst Langstreckenläufer waren bzw. es noch immer sind.

Die Hauptbeanspruchungsformen müssen insgesamt in der richtigen Relation zueinander trainiert werden, um ein effizientes Training zu gewährleisten. Kraft- und Ausdauertraining können sich gegenseitig negativ beeinflussen, insofern ein extremes Ausdauertraining zum Verlust von Kraft und Schnelligkeit führen kann, ein zu intensives Krafttraining dagegen die Ausdauerfähigkeit reduziert. Ein professionelles Training berücksichtigt daher nicht nur die aerobe Ausdauer, sondern sämtliche klassische motorische Eigenschaften, wie Ausdauer, Koordination, Kraft, Schnelligkeit und Flexibilität. Dabei ist allerdings nur die sog. aerobe Kapazität durch Training auch im hohen Alter beeinflussbar. Darüber hinaus gilt Ausdauer generell als die nach der Kraft am zweitbesten trainierbare motorische Grundeigenschaft.

Definiert wird die aerobe Kapazität als Fähigkeit, die submaximale Belastung bei optimaler O2-Nutzung langfristig auszuüben. Ausdauer in diesem Sinne ist die Widerstandsfähigkeit gegen Ermüdung bei sportlichen Belastungen und steht unter dem Einfluss des Funktionszustandes des Herz-Kreislaufsystems, der Ökonomie von Stoffwechsel und Bewegungsausführung sowie – nicht zu vergessen – der Motivation.

Einigkeit in der sportmedizinischen Forschung besteht darüber, dass nur Ausdauertraining eine spezifisch gesundheitsfördernde und vor allem gegen die verschiedenen Herz-Kreislauf- und Stoffwechselerkrankungen vorbeugende Wirkung hat.

In zahlreichen Veröffentlichungen von Sportmedizinern werden die positiven Auswirkungen von Triathlon auf das Herz-Kreislaufsystem dargelegt. – Bewegungsmangel gilt als einer der Hauptrisikofaktoren der Herz- und Kreislauferkrankungen, die über 50% der Todesfälle in unserem Land zur Folge haben. Allerdings darf der hohe gesundheitsfördernde und präventiv-medizinische Wert der Ausdauersportarten (ab einer Minimalanforderung von 3 bis 4 Stunden pro Woche) nicht darüber hinwegtäuschen, dass Triathlons und Ausdauer-Mehrkämpfe kein Einstieg für Un- oder Schlechttrainierte in die Trimmbewegung sind.

Nach Ansicht von Sportwissenschaftlern gewährleistet Triathlon darüber hinaus ein vielfältiges Training und damit eine gleichmäßige Entwicklung des Körpers wie kaum eine andere Sportart. Wichtig ist dabei auch die relationale Einzelstreckenverteilung der jeweils zu absolvierenden Distanzen, damit die entsprechenden Spezialisten der einzelnen Disziplinen weder übervorteilt noch benachteiligt werden und zudem die dafür benötigte Ausdauer in einem ausgewogenen Verhältnis steht, damit die Überlastung bestimmter Teile des passiven und aktiven Bewegungsapparates so weit wie möglich vermieden wird.

Die geringe statische Belastung des Körpers beim Schwimmen und Radfahren schont den aktiven Bewegungsapparat. Beim Schwimmen werden überwiegend die Arm- und Schultermuskeln, beim Radfahren und Laufen vorwiegend die Beinmuskeln (sowie die Beckengürtel-Muskulatur) eingesetzt. Kritiker des Triathlon sehen gerade in dem zu verschiedenen muskulären Einsatz (bei durchaus ähnlicher Belastung) einen Hinderungsgrund für die Kombination der Disziplinen. Andererseits wird dafür plädiert, dass bei Überbelastung bestimmter Muskelpartien die eine oder andere Einzeldisziplin ein gesundes Gegengewicht schaffe. Schwimmen generell eignet sich durch die Gewichtslosigkeit des Körpers zu seiner Regeneration. Aber auch langsamer Langlauf bietet sich als Erholungstraining an.

Spezialisten sprechen auch von der sog. vierten Disziplin: den Wechseln zwischen den Einzeldisziplinen. Hier komme es durchaus zu Problemen. Die horizontale Körperhaltung beim Schwimmen bewirkt Störungen im Orientierungs- und im Reflexbereich, zumal Hör- und Sehsinn im Wasser nicht ihre volle Funktionsfähigkeit ausüben können. Durch den raschen Wechsel der Körperlage beim Lauf zum Rad kann es zu einer zusätzlichen Belastung des Gleichgewichtssinns kommen. Die horizontale, gekrümmte Haltung des Radfahrers wechselt schließlich noch einmal in die aufrechte Laufhaltung. Derart wird das Koordinationsvermögen bei jedem Übergang beansprucht, da auf ein neues Bewegungsmuster umgeschaltet werden muss. Andere Muskeln müssen aktiviert werden oder die gleichen Muskeln müssen eine andere Bewegung ausführen. Wenn die Muskeln bereits ermüdet sind, kostet diese Anpassung an die neue Aktivität große Mühe. Das Training muss also über die Einzeldisziplinen hinaus diesen Wechsel und die Kombination der Teilsportarten berücksichtigen.

Trainingsleitfäden empfehlen für das Ausdauerschwimmtraining eine Distanz von 1–3 km bei einer mittleren Belastung (Pulsfrequenz von 140–180 Schlägen pro Minute), für das Radfahrtraining eine Distanz von 30 bis über 100 km in gleich bleibendem Tempo (Pulsfrequenz von 140–160) und raten beim Dauerlauf zu Strecken zwischen 10 und 30 km (Pulsfrequenz von 140–160).

Zahlreiche Untersuchungen haben sich angesichts der kaum mit einer anderen sportlichen Leistung vergleichbaren Intensität des Triathlons mit dem spezifischen Sozio-Psychogramm der Athleten auseinander gesetzt. Immer wieder ging es darum, den Motiven für eine derart extreme Leistung auf den Grund zu kommen, den Kick im Kopf der Athleten aufzuspüren. Nach Selbstaussagen zu schließen, steht für die Athleten, vor allem die Amateure, dabei nicht das Siegen, sondern das Durchhalten im Vordergrund – ganz nach dem Motto: „Jeder der finisht, ist ein Sieger“. Und das ist mehr als konsequent angesichts einer Sportart, in der es um die größtmögliche Ausdauer geht. Das seit der Antike vorherrschende Heldenbild des siegreichen Königs der Athleten, des auf Schnellkraft eingestellten Zehnkämpfers, scheint in unserer Zeit und ihren speziellen Anforderungen eine Umwertung erfahren zu haben: König ist nun, wer die Krone der Ausdauer davonträgt – und die steht unbestritten dem Triathleten zu.

ORTHOpress 3 | 2001

Alle Beiträge dienen lediglich der Information und ersetzen keinesfalls die Inanspruchnahme eines Arztes*in. Falls nicht anders angegeben, spiegeln sie den Stand zur Zeit der Erstveröffentlichung wider. Die aktuelle Einschätzung des Sachverhalts kann durch Erfahrungszuwachs, allgemeinen Fortschritt und zwischenzeitlich gewonnene Erkenntnisse abweichen.